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Modul: Boden - Informationen
Kapitel: Bodengefährdung
Seitentitel: Bodendegradation

Als Bodendegradation bezeichnet man die Herabstufung eines Bodens im Sinne einer nachhaltigen Veränderung oder Zerstörung seiner natürlichen Merkmale, Strukturen und Funktionen (s. Bodenfunktionen). Zurückzuführen ist dieser Begriff auf das lateinische Verb degredi (= herabsetzen, hinabschreiten). „Degradationen von Böden sind zunächst natürliche Prozesse. Durch Verwitterung sowie Zu- und Abfuhr von Stoffen mit Wasser und Luft findet eine ständige Änderung der Böden statt“ (WBGU 1993, S. 69; vgl. Bodenentwicklung). Diese Prozesse laufen aber nur in geringem Umfang und sehr langfristig ab, so dass sich die Lebensgemeinschaften des Bodens daran anpassen können.

Durch die exponentiell wachsende Weltbevölkerung hat sich diese Situation in den letzten Jahrzehnten aber dramatisch verändert. Nicht nur die Sicherstellung der Ernährungsgrundlage, sondern auch die steigenden Konsumansprüche haben Bodennutzungsmaßnahmen verursacht, die die Böden direkt und indirekt belasten sowie deren Degradation enorm beschleunigen (WBGU 1993, S. 69). Diese anthropogenen, d.h. vom Menschen verursachten, Bodendegradationen definiert der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen als „… dauerhafte oder irreversible Veränderungen der Strukturen und Funktionen von Böden oder deren Verlust, die durch physikalische und chemische oder biotische Belastungen durch den Menschen entstehen und die Belastbarkeit der jeweiligen Systeme überschreiten“ (WBGU 1994, S. 49).

Als dauerhaft gelten dabei Veränderungen, die in menschlichen Zeiträumen (Jahrzehnte bis Jahrhunderte) durch natürliche Regenerationsmechanismen bodenintern nicht mehr ausgeglichen werden können, aber durch gezielte Maßnahmen und Eingriffe u.U. noch beseitigt werden können. Veränderungen dagegen, die allenfalls noch durch extrem aufwendige bzw. ökologisch unverantwortbare Eingriffe oder überhaupt nicht mehr ausgeglichen werden können, werden als irreversibel bezeichnet (WBGU 1994, S. 49/50). Global betrachtet ist Bodendegradation kein marginales Umweltproblem mehr, sondern hat eine Tragweite erreicht (s. Aktuelle Situation), die ebenso bedrohlich ist wie der globale Klimawandel oder der fortschreitende Verlust der Biodiversität: „Von den Böden der circa 130 Mio. km² umfassenden eisfreien Oberfläche der Erde weisen heute bereits fast 20 Mio. km², das sind rund 15%, deutliche Degradationserscheinungen auf, die durch den Menschen verursacht wurden“ (WBGU 1994, S. 51).

Bei diesen anthropogen verursachten Bodendegradationen lassen sich fünf Arten bzw. Typen unterscheiden: Wasser- und Winderosion, physikalische Degradation, chemische Degradation und biotische Degradation. Bei der Wasser- und Winderosion (s. Bodenerosion ) wird Boden abgetragen und verlagert, wobei die Degradation mit einem Verlust an Bodenmaterial einhergeht. Bei der physikalischen sowie chemischen Bodendegradation (s. Bodeninterne Degradation ) wird der Bodenkörper intern negativ verändert, bei der biotischen Bodendegradation die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften und Lebensprozesse im Boden. Letztere ist bisher aber wenig erforscht.

Von zentraler Bedeutung für Bodendegradationen sind insbesondere Erosionsprozesse, die bei über 80 % der weltweit degradierten Bodenflächen eine ursächliche Rolle spielen und mit einem mehr oder weniger starken Verlust an Bodenmaterial einhergehen (s. Tab.1).

Degradationstypen
Anteil
Wesentliche Ursachen
Wassererosion
56 %
Entwaldung und Überweidung
Winderosion
28 %
Überweidung
Chemische Dagradation
12 %
Landwirtschaftliche Aktivitäten
Physikalische Degradation
4 %
Landwirtschaftliche Aktivitäten
Tab. 1: Typen, Anteile und Ursachen der Bodendegradation
(zusammengestellt nach WBGU 1994, S. 51 (Tabelle 7) und S. 59 (Abbildung 7))

Global gesehen sind die Böden unterschiedlich stark degradiert (s. Tab. 2). Degradationstypen, Degradationsgrade und Degradationsursachen zeigen auf den einzelnen Kontinenten ein unterschiedliches Verteilungsmuster. Besonders betroffen sind Asien und Afrika, die schon heute zu den ärmsten Regionen der Welt zählen (WBGU 1994, S. 57). Auf sie entfallen 39 bzw. 25 % der weltweit durch menschliche Aktivitäten degradierten Böden, die insgesamt eine Fläche von 2000 Mio. Hektar (etwa 17% der eisfreien Landoberfläche) umfassen. Berücksichtigt werden muss dabei, dass bei den meisten Zahlenangaben Degradationen von Waldböden und latente, sich über längere Zeiträu­me akkumulierende Belastungen sowie Veränderungen der Lebens­gemein­schaften im Boden noch nicht berücksichtigt sind.

Bezogen auf den jeweiligen Flächenanteil des Kontinentes an der weltweiten Landoberfläche weisen aber die Böden in Europa mit 23% den größten Degradationsanteil auf (s. Tab.2). Dabei spielt die hohe Besiedlungsdichte und intensive Nutzung der Flächen eine starke Rolle. „Zwar sind die Bodenprobleme in Europa im Allgemeinen weniger gravierend als in manch anderen Regionen des Erdballs, doch sind auch hier über weite Teile lokale Bodenkontaminationen, Versalzung, Verdichtung sowie Wind- und Wassererosion zu beobachten. Ein Beispiel für das Tempo des irreversiblen Verlustes von Böden in Europa ist die städtebauliche Entwicklung während der siebziger Jahre, die dazu führte, dass täglich in Deutschland 120 ha, in Österreich 35 ha und in der Schweiz 10 ha landwirtschaftlich nutzbarer Flächen verloren gingen“ (EUA 2001, S. 1).

Tab. 2: Verteilung der Welt-Bodendegradation auf die Kontinente
Kontinente
Degradationsanteil
% absolut1
% relativ2
Asien
38.1
20
Afrika
25.2
22
Südamerika
12.4
14
Europa
11.1
23
Nordamerika
8.0
8
Ozeanien
5.2
13

1 bezogen auf die weltweit degradierten Bodenflächen
2 bezogen auf den Anteil der kontinentalen Landfläche
(zusammengestellt nach WBGU 1993, S. 71/ Tabelle 11 (Quelle: Oldeman et al. 1991) und WBGU 1994, S. 59/ Abb. 7 (Quelle: Oldeman 1992))

Wesentliche Ursachen für diese globale Entwicklung liegen in Überweidung, Entwal­dung und landwirtschaftlichen Nutzung der Böden (s. Tab.3), wobei die zunehmende Landnutzung als wesentliche Triebkraft der globalen Veränderungen gilt und mit einer weiteren Zunahme anthropogener Bodendegradationen zu rechnen ist.

Tab. 3: Wesentliche Ursachen für globale Bodendegradation
Ursachen
Degradationsanteil in %
Überweidung
35
Entwaldung
30
Landwirtschaftliche Aktivitäten
27
Übernutzung der Vegetation
7
Industrielle Aktivitäten
1
(zusammengestellt nach WBGU 1994, S. 59 (ABB. 7); Quelle: Oldeman 1992)

 

Abhängig von den unterschiedlichen Entwicklungsstadien und Nutzungsformen der Böden auf der Erde lassen sich regional unterschiedliche Degradationsphänomene mit spezifischen Symptomen identifizieren, deren spezieller Merkmalskomplex als Syndrom bezeichnet wird. Im Wesentlichen lassen sich zwölf solcher für bestimmte Regionen auf der Erde besonders charakteristische Syndrome der Bodendegrada­tion (vgl. WBGU 1993, 1994) charakterisieren (s. Syndromansatz).

Angesichts des steigenden Bevölkerungswachstums werden Bodendegrada­tionen und Bodenverluste weiter zunehmen. Allein der Nahrungsmittelbedarf erfor­dert eine stärkere Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion und führt zu einer großen Belastung der Böden. Parallel dazu werden Bodenflächen bei zunehmender Besiedlung und Ausweitung von Infrastruktureinrichtungen durch Überbauung und Versiegelung der produktiven Nutzung entzogen. Darüber hinaus verschlechtert sich jedes Jahr „… der Zustand weiterer 20 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche derart, dass diese Flächen sich nicht mehr für die Pflanzenproduktion eignen, oder sie fallen der weiteren Ausdehnung der Städte zum Opfer“ (EUA 2002, S. 5).

Insgesamt bedroht das globale Bodendegradationsproblem die ausreichende Nahrungsmittelproduktion zur Sicherstellung der Ernährung der Weltbevölkerung (vgl. OLDEMAN 1997). Darüber hinaus beeinflusst es aber auch die Biodiversität. So wird insbesondere in Regionen, wo Waldflächen gerodet werden, die Lebensraumfunktion nachhaltig gestört. Durch Veränderung des Energiehaushaltes und geochemischer Stoffkreisläufe beeinträchtigen Bodendegradationen auch die Regelungsfunktionen des Bodens und wirken sich massiv auf das Klima aus (WBGU 1994, S. 57/58).

Zugleich offenbaren Bodendegradationen das „Dilemma eines globalen Bodenschutzes“ (WBGU 1993, S. 80), da die meisten Bodenschäden auf lokaler Ebene auftreten und dort auch häufig ihre Ursachen haben. Der Summeneffekt dieser Wirkungen hat aber globale Folgen und bedarf internationaler Regelungen (s. Bodenschutz ). Insgesamt wird der Übergang zu einer nachhaltigeren Bodennutzung in den kommenden Jahrzehnten eine große Herausforderung darstellen. „Daher kommt es darauf an, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und sich bereits heute den unterschiedlichen, potenziell gegensätzlichen Anforderungen an den Boden zu stellen, ohne seine Nutzung und Verfügbarkeit für künftige Generationen zu gefährden“ (EUA 2002, S. 27; vgl. Agenda 21 ).

„Im Gegensatz zu anderen Umweltproblemen […] ist die Bodendegradation auf den ersten Blick relativ weit von konkreten Einzelhandlungen entfernt. Lange, indirekte Kausalketten zwischen einzelnen Verhaltensweisen und der daraus resultierenden Bodenschädigung, etwa zwischen dem Konsum von Schweinefleisch in Deutschland und der Bodendegradation durch Überdüngung von Agrarflächen in einem Entwicklungsland, auf denen Importfutter für deutsche Schweine angebaut wird (Buntzel 1986), führen dazu, dass Ursache-Wirkungs-Beziehungen kognitiv nicht repräsentiert sind und dementsprechend auch nicht handlungsleitend werden können.“ (WBGU 1994, S. 141)


Weitere Informationen:

  • Bodennutzung
  • Bodenerosion
  • Bodeninterne Degradation
  • Syndromansatz
  • Aktuelle Situation
  • Bodenschutz

 
Literatur:

EUA (2001): Europäische Umweltagentur: Die Umwelt in Europa: Der zweite Lagebericht. Bodendegradation (Kapitel 11). Download: reports.de.eea.eu.int/92-828-3351-8/de/11.de.pdf (05.10.04)

EUA (2002): Europäische Umweltagentur: Auf dem Boden der Tatsachen: Boden­degradation und nachhaltige Entwicklung in Europa. Umweltthemen-Serie No.16
Download: reports.de.eea.eu.int/Environmental_issue_series_16/de/German%20soil%20for%20the%20www.pdf (05.10.04)

EUA (2003): Europäische Umweltagentur: Die Umwelt in Europa: Der dritte Lagebericht. Zusammenfassung.
Download: reports.de.eea.eu.int/environmental_assessment_report_2003_10-sum/de/kiev_de.pdf (05.10.04)

Graßl, H. (1997): Brisante Mischung – Böden und globaler Wandel. In: Kümmerer, K./ Schneider, M./ Held, M. (Hrsg.): Bodenlos – Zum nachhaltigen Umgang mit Böden. Politische Ökologie 15, Sonderheft 10. München: ökom, S. 12-16.
Oldeman, L. R. (1997): Verlustrechnung – Bodendegradation als Bedrohung der Nahrungsmittelversorgung. In: Kümmerer, K./ Schneider, M./ Held, M. (Hrsg.): Bodenlos – Zum nachhaltigen Umgang mit Böden. Politische Ökologie 15, Sonderheft 10. München: ökom, S. 23-26.
WBB (2002): Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beim Bundesministerium für Umwelt, Natur­schutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Ohne Boden – bodenlos. Eine Denkschrift zum Boden-Bewusstsein. Berlin
WBGU (1993): Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (Hrsg.): Welt im Wandel: Grundstruktur globaler Mensch-Umwelt-Beziehungen. Jahresgutachten 1993. Bonn: Economica. - Download: www.wbgu.de
WBGU (1994): Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (Hrsg.): Welt im Wandel: Die Gefährdung der Böden. Jahresgutachten 1994. Bonn: Economica. - Download: www.wbgu.de