PROJEKT HYPERSOIL     Pfad: https://hypersoil.uni-muenster.de/2/02/01.htm
Modul: Boden & Unterricht
 Kapitel: Didaktische Relevanz des Themenfeldes "Boden"
Seitentitel: Boden im Unterricht: Ökologische Grundbildung

Vor dem Erkenntnishintergrund, "... daß eine langfristige und dauerhafte Verbesserung der Lebensverhältnisse für eine wachsende Weltbevölkerung nur möglich ist, wenn sie die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen mit einschließt" (BMU 1997, S. 9), ist das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung primär ökologisch fundiert (vgl. Kap. 8-22 der Agenda 21 (s. BMU o.J., S.5/6); s. Agenda 21). Nachhaltige Entwicklung unter dem Anspruch globaler und intergenerationeller Gerechtigkeit basiert auf der Erhaltung der verfügbaren natürlichen Ressourcen und Verbesserung der Umweltqualität. Dabei spielt neben Klimaschutz und Ressourcenschonung der Schutz des Naturhaushaltes, insbesondere die Erhaltung der biologischen Vielfalt (Biodiversität) und der Schutz der Lebensräume als Grundlage für Leben und nachhaltiges Wirtschaften, eine zentrale Rolle.

Eine Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen als Grundoption für nachhaltige Entwicklung setzt fundierte Kenntnisse ökologischer Systeme, Prinzipien und Strategien voraus. Dieses ökologische Grundwissen ist trotz zunehmender gesellschaftlicher Akzeptanz der Ökologie1 in fast allen relevanten Bereichen gering ausgeprägt. Ohne Wissen um und Einsicht in fundamentale ökologische Grundprinzipien und Wirkungszusammenhänge des Lebenssystems unseres Planeten Erde können veränderte Wahrnehmungsmuster, Leitbilder, Lebensstile und Handlungsmodelle für notwendige Innovationsprozesse im Rahmen nachhaltiger Entwicklung aber nicht entwickelt werden. Schließlich ist die aktuelle globale Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen ein Produkt der Ignoranz des Eingebundenseins menschlicher Entwicklung in das Gesamtsystem der Biosphäre im Sinne einer verhängnisvollen Reduktion der natürlichen Umwelt auf ihr nutzbares Ressourcenpotential.

"Ökologie lernen" (vgl. MICHELSEN/ SIEBERT 1985) und "ökologisch denken lernen" (vgl. SIEBERT 1998) sind daher für den kultivierten Menschen im Kontext nachhaltiger Entwicklung ebenso elementar wie lesen, schreiben und rechnen lernen. Eine solche ökologische Grundbildung orientiert sich inhaltlich an ökologischen Grundprinzipien und Lebensräumen, wobei die methodischen Zugriffe sehr unterschiedlich sein können. Sie erfordert prinzipiell eine mehrperspektivische Problemerschließung auf der Grundlage interdisziplinärer Wissensbestände und eine konsequente Förderung vernetzten Denkens. Im Rahmen dieser ökologischen Grundbildung gilt es, allgemeine Strukturen, Mechanismen und Strategien zu thematisieren, die in ökologischen Systemen wirksam sind und diese zu einer weitgehenden Selbstregulation befähigen. Dazu gehört eine intensive Auseinandersetzung mit konkreten Lebensräumen und Lebensgemeinschaften, um die Vielfältigkeit der Wirkungszusammenhänge und Wechselbeziehungen aufzudecken.

Dazu gehört aber auch eine theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit dem Ökosystemkonzept, verschiedenen Ökosystemmodellen und wesentlichen ökologischen Grundprinzipien wie z.B. Energieumwandlung und Energiefluss, Stoffkreislauf, Vernetzung, Gleichgewicht und Stabilität. Diese elementaren Grundlagen können schon in der Grundschule an relativ einfach strukturierten Systemen wie z.B. einem Komposthaufen erarbeitet werden. Auch Grundstrukturen von Ökosystemen und ihre Relevanz für verschiedene Lebensprozesse lassen sich im kontrastierenden Vergleich relativ unterschiedlicher Lebensräume wie z.B. Boden und Wasser bereits in der Primarstufe ansatzweise ohne größere Probleme erschließen (vgl. u.a. GÄRTNER/ HELLBERG-RODE 2001).

So entwickelte R. KNIRSCH (1990, S. 11) auf der Basis ökologischer Grundprinzipien inhaltliche "... Bausteine zu einem ganzheitlichen und ökologischen Sehen, Denken und Handeln. Sie zu kennen und zu verstehen heißt [...], mit grundlegenden ökologischen Zusammenhängen auf der Erde vertraut zu werden". Zu diesen sogenannten "Geheimnissen des Lebens" gehören z.B. Formenvielfalt der Lebewesen, Angepasstheit, Stoffkreisläufe, Energiefluss und Energieumwandlung, Stetigkeit und Veränderung, Wechselwirkung und gegenseitige Abhängigkeiten, Lebensraum und Lebensgemeinschaft. Mit verschiedenen Beobachtungsaufgaben, ausgewählten Spielen und Experimenten gelingt es R. KNIRSCH (1990, 1991), Kinder im handelnden Umgang mit Umweltphänomenen und Lebensräumen Zugänge zu diesen ökologischen Grundeinsichten finden zu lassen.

Kenntnis ökologischer Prinzipien, Wissen um ökologische Zusammenhänge und die Entwicklung eines entsprechend umweltorientierten Problembewusstseins sind die wesentlichen Anforderungen an ökologische Grundbildung. Verbunden damit sind didaktische Prinzipien, Schlüsselqualifikation und Lernverfahren, die im Prinzip für den gesamten Bereich der Umweltbildung und "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" eingefordert werden (vgl. dazu u.a. BOLSCHO/ SEYBOLD 1996, GÄRTNER/ HELLBERG-RODE 2001a).

Einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der für die ökologische Grundbildung skizzierten Anforderungen im Unterricht kann die Beschäftigung mit dem Themenkomplex "Boden" leisten. Dabei spielen u.a. folgende Aspekte eine zentrale Rolle:

  Boden als Ökosystem, an dem exemplarisch verschiedene ökologische Grundprinzipien und Zusammenhänge als "Geheimnisse des Lebens" (s.o.) erarbeitet werden können.
  Boden als Lebensraum mit spezifischen Lebensraumqualitäten und einer daran angepassten Gemeinschaft von verschiedenen Lebewesen.
  Boden als Standort für höhere Pflanzen und damit als Grundlage für die Nahrungsmittelproduktion
  Boden als Lebensgrundlage für alle Lebewesen auf der Erde.

 

Weitere Informationen:

 

Literatur:

BMU (o.J.): Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Umweltpolitik. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Dokumente - Agenda 21. Bonn.
BMU (1997): Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland. Bericht der Bundesregierung anlässlich der UN-Sondergeneralversammlung über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York. Bonn.
BOLSCHO, D./ SEYBOLD, H. (1996): Umweltbildung und ökologisches Lernen. Berlin: Cornelsen Scriptor.
GÄRTNER, H./ HELLBERG-RODE, G.(Hrsg.) (2001): Umweltbildung & nachhaltige Entwicklung. Band 2: Praxisbeispiele. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
GÄRTNER, H./ HELLBERG-RODE, G. (2001a): Umweltbildung und Gestaltungskompetenz für nachhaltige Entwicklung. In: Gärtner, H./ Hellberg-Rode, G. (Hrsg.): Umweltbildung & nachhaltige Entwicklung. Band 1: Grundlagen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 7-29.
KNIRSCH, R.R.(1990): Kommt mit, wir machen was! Das Umweltbuch für alle, die mit Kindern leben. Münster: Ökotopia
KNIRSCH, R.R. (1991): Unsere Umwelt entdecken - Spiele und Experimente für Eltern und Kinder. Münster: Ökotopia.
LESER, H. (1991): Ökologie - wozu? Der graue Regenbogen oder Ökologie ohne Natur. Berlin; Heidelberg: Springer.
MICHELSEN, G./ SIEBERT, H. (1985): Ökologie lernen. Anleitungen zu einem veränderten Umgang mit Natur. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch.
SIEBERT, H. (1998): Ökologisch denken lernen. In: Beyersdorf, M./ Michelsen, G./ Siebert, H. (Hrsg.): Umweltbildung. Theoretische Konzepte, empirische Erkenntnisse, praktische Erfahrungen. Neuwied; Kriftel: Luchterhand, S. 84-93.

1 Ökologie wurde von Ernst Haeckel schon 1866 begründet und definiert als "Wissenschaft von den Wechselbeziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt, wohin wir im weitesten Sinne alle Existenzbedinungen rechnen können ". Wir legen hier einen raumbezogenen Ökologiebegriff zugrunde, wonach Ökologie definiert wird als "Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen den Organismen untereinander, zu ihrer Umwelt und zu deren Geoökofaktoren. Untersuchungsgegenstand sind Ökosysteme, die sich räumlich in den Ökotopen oder in anderen ökologischen Raumeinheiten (konkret) repräsentieren" (Leser 1991, s. 69)