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Modul: Boden - Informationen
Kapitel: Bodenbedeutung
Seitentitel: Bodenethik

Allgemein beschäftigt sich Ethik bzw. praktische Philosophie mit der Frage nach dem richtigen Handeln des Menschen im Umgang mit Leben. Diese spezifische Dimension der Ethik wird schon von Aristoteles erkannt: „In der Ethik wird nachgedacht, wie das Leben sein soll“ (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S. 14). – Kurz: Darf der Mensch alles tun, was in seinen Möglichkeiten liegt? - Ethik sucht hier nach Normen, Werten und Prinzipien, d.h. nach allgemeingültigen handlungsleitenden Regelungen. Es werden zwei wesentliche Ziellinien unterschieden. Zum einen geht es um die Frage nach dem „Gelingen des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens“ und zum anderen um die „Begrenzung des menschlichen Handelns“ (vgl. RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S. 14).

Was bedeutet Bodenethik? – Nach RUH, BRUGGER & SCHENK (1990, S. 10) besteht eine enge Verbindung zwischen Boden und Ethik, da „Boden in der Lebenswelt des Menschen eine zentrale und elementare Bedeutung einnimmt“. Diese essentielle Bedeutung des Bodens für das Leben liegt dabei in drei Tatsachen begründet: „…

  1. Der Boden besteht selbst aus Leben und ist damit selber ein für die Ethik hochsensibler Bereich.
  2. Der Boden ist Voraussetzung für das Leben und die Qualität des Lebens.
  3. Der Boden ist, wie wir heute sehen, ein komplexes, aber auch zerstörungsanfälliges Gebilde.“ (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S. 10)

Ethisch gesehen bleibt festzuhalten, „… dass der Boden fundamental zum Menschsein gehört. Der Mensch ist ein „Bodenwesen“; er teilt die Naturhaftigkeit mit dem Boden.“ – Er ist also ohne Boden nicht denkbar, während der Boden auch unabhängig vom Menschen existieren kann (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S. 10).

„Als Lebewesen erfüllt der Boden eine zentrale Funktion im gesamten Ökosystem Leben. Er ist zusammen mit Luft und Wasser die Bedingung der Möglichkeit von Leben. Ohne lebendigen Boden gibt es kein Leben“. […] – Insofern ist „... menschliches Leben ist an den Boden gebunden“ […] und die „… Qualität und die Quantität des den Menschen zur Verfügung stehenden Bodens bestimmt in erheblichem Ausmaß über die Qualität menschlichen Lebens“. – Aufgabe der Bodenethik ist es, zu begründen „ … inwiefern der Boden vor menschlichen Übergriffen zu schützen ist. Es muss einsichtig gemacht werden können, dass es für eine Zerstörung des Lebewesens Boden klar definierte Bedingungen geben muss und andererseits die Einschränkungen und Beeinträchtigungen der Lebensqualität des Bodens spätestens dort Grenzen finden müssen, wo ihre Auswirkungen negativ, d.h. lebenshemmend auf den Menschen zurückfallen. […] Ethik steht also vor der Aufgabe, eine Verhältnisbestimmung Mensch-Natur vorzunehmen, die berücksichtigt, dass dieses Verhältnis nicht von einem primären Gegeneinander, sondern von einem primären Miteinander her zu gestalten ist.“ (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S. 11)

Bodenethik muss sich dabei im Hinblick auf „gelingendes menschliches und gesellschaftliches Leben“ auf den „verantwortbaren Umgang mit dem Boden“ konzentrieren und folgende Dimensionen berücksichtigen (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S.1):

1. Boden ist selber Leben,
2. Boden ist ein absolut endliches Gut und
3. Boden ist in jedem Fall eine Gabe.

Da Boden täglich mit den Ansprüchen des Menschen konfrontiert ist, ihn als Ressource und Fläche zu nutzen, ergibt sich daraus ein grundlegender „… Konflikt zwischen dem Geschöpf Mensch und den nichtmenschlichen Mitgeschöpfen.“ Die Anerkennung „… der nichtmenschlichen Schöpfung als Konfliktpartner…“ ist vermutlich der erste Schritt, um aus dem „…Dilemma herauszukommen“ (LIEDKE 1989, S. 302). In diesem Sinne ist Bodenethik eine Konfliktethik und hat die Aufgabe zwischen ökologischen, ökonomischen, politischen und sozialen Ansprüchen zu vermitteln, zu werten und zu entscheiden. (vgl. RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S. 74 ff.).

Wesentliche Bezugsebenen von Bodenethik lassen sich nach RUH, BRUGGER und SCHENK (1990, S. 82) folgendermaßen darstellen:

Bodenethik
Qualitative Dimension
Quantitative Dimension
Boden ist Leben: Ökologische Aspekte
Die Natur hat und verfolgt Ziele. - Boden ist nicht zufällig da und beliebig verfügbar.
Boden hat eine Zukunftsdimension und Anspruch auf Unversehrtheit.
Boden ist Leben und hat daher per se eine Würde.
Über Boden kann nicht verfügt werden.
Bodennutzung als Teilhabe am Ökosystem Boden.
Dem Boden kommt gleicher Schutz zu wie Entrechteten und Unterdrückten. Die Option ist Befreiung und rechtliche Anerkennung.
1. Boden als endliches Gut: Ökonomische Aspekte

Boden ist ein absolut endliches Gut.

Boden ist in jedem Fall eine Gabe.
Wir können den Boden weder vermehren noch regenerieren.
Bodennutzung darf künftiges Leben nicht verunmöglichen.
Bodennutzungsansprüche sind nach klaren Vorzugsregeln zu bewerten.
Jede Bodennutzung hat auf minimale Erhöhung der Entropie zu achten.
   

2. Zugang zu Boden: Gerechtigkeitsaspekte

Der Mensch ist ein Bodenwesen.

Innerer Bodenschutz
Verhältnis Mensch-Boden als Teil der Anthropologie
Freier Zugang zum Boden gehört zum Menschsein.

Schutz der Landlosen vor den Landbesitzenden

Boden ist für die Gemeinschaft konstitutiv.
Sozialpflichtigkeit des Bodeneigentums
Ökologische Gerechtigkeit

Anerkennung des Bodens als Konfliktpartner

  Bewusstmachen des direkten und indirekten Bodenkonsums
  Anerkennung der Konfliktfähigkeit des Bodens
  Symmetrischen Konflikt anstreben
  Wahrnehmung der Rechte des Bodens
  Änderung im Wertsystem und in der Sprache (Boden ≠ Dreck)

Aus ethischer Sicht umfasst das Bodenproblem zwei Dimensionen, die „qualitativ-ökologische Dimension“ und die „quantitativ-ökonomische Dimension“ (s. Tabelle). Letztere integriert zwei Aspektbereiche: ökonomische Aspekte vor dem Hintergrund „Boden als knappes Gut“ und Gerechtigkeitsaspekte im Sinne von Verfügbarkeit über Boden (vgl. RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S.1 und S. 81 ff.). Die qualitativ-ökologische Dimension dagegen ordnet den Boden in das „Ganze der lebendigen Natur“ ein (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S.1). Daraus ergibt sich ein Eigenwert des Bodens und seine Nutzung durch den Menschen kann nur als Teilhaben am Ökosystem Boden verstanden werden. Diese Teilhabe „… schließt aus, dass Ökosystem über seine Tragfähigkeit zu belasten (und) das Letzte herauszuholen“ (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S. 81).

Grundsätzlich ist Boden als Konfliktpartner anzuerkennen: „Die vielfältigen Aspekte, die den menschlichen Umgang mit Boden zu einem Problem werden lassen, machen deutlich, dass es nicht darum gehen kann, den Konflikt um den Boden zu beseitigen, sondern für alle Beteiligten möglichst konstruktiv zu regeln. Bodenethik ist demnach eine dauernde Aufgabe, die immer neu die Konfliktregelung überdenken und neuen Erkenntnissen und Gegebenheiten anpassen muss. Bei all dieser Vorläufigkeit sind aus ethischer Sicht in diesem Konflikt besonders die Eigenständigkeit und Konfliktfähigkeit des Bodens sowie die Rechte der landlosen und zukünftig lebenden Menschen zu betonen“ (RUH/ BRUGGER/ SCHENK 1990, S.1; vgl. Agenda 21).

Die Umsetzung bodenethischer Ansprüche kann sich an den Folgerungen des Sondergutachtens „Umwelt und Ethik“ (WBGU 1999) für den Biosphärenschutz orientieren. Für die Begründung von Prinzipien und Normen kann in Anlehnung an dieses Sondergutachten eine Unterteilung in kategorische Prinzipien, die unter keinen Umständen missachtet oder überschritten werden dürfen, und kompensatorische Prinzipien, die mit anderen Prinzipien ausgeglichen werden können, vorgenommen werden. (vgl. WBGU 1999, Kap. 3).

Die Regelung der Beachtung der bodenethischen Normen und Prinzipien kann auch in einer entsprechenden Gesetzgebungen zum Tragen kommen (s. Bodenschutz). Letztendlich ist die gesetzliche Regelung jedoch nicht vornehmliches Ziel der Ethik. Vielmehr sollten die Normen eines verantwortbaren Umgangs mit Boden gesellschaftlich internalisiert sein. Hier spielt die Bildung eines Bewusstseins über den Lebensraum Boden und seine Bedeutung für den Menschen als Lebensgrundlage (s. Boden als Lebensgrundlage) eine wesentliche Rolle (s. Förderung des Bodenbewusstseins).


Weitere Informationen:

  • „Mutter Erde“
  • Boden als Lebensgrundlage
  • Bodennutzung
  • Bodengefährdung
  • Bodenschutz
  • Bodenleben


Literatur:

ALTNER, G. (Hrsg.) (1989): Ökologische Theologie. Stuttgart: Kreuz Verlag.
BIRNBACHER, D. (Hrsg.) (1986): Ökologie und Ethik. Stuttgart: Reclam.
RUH, H./ BRUGGER, F./ SCHENK, C. (1990): Ethik und Boden. Bericht 52 des Nationalen Forschungsprogrammes „Boden“. Liebefeld-Bern.
WBGU (1999): Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Welt im Wandel: Umwelt und Ethik. Sondergutachten 1999. Marburg: Metropolis (s. www.wbgu.de/wbgu_sn1999.html)
LIEDKE, G. (1989): Schöpfungsethik im Konflikt zwischen sozialer und ökologischer Verpflichtung. In: Altner, G. (Hrsg.): Ökologische Theologie. Stuttgart: Kreuz Verlag, S. 300-321.