PROJEKT HYPERSOIL     Pfad: https://hypersoil.uni-muenster.de/2/01/03.htm
Modul: Boden & Unterricht
 Kapitel: Didaktische Legitimation
Seitentitel: SINUS: Programm zur Steigerung der Effizienz mathematisch-
naturwissenschaftlichen Unterrichts

Mit dem Programm zur "Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts" (SINUS) reagieren Bund und Länder auf die Ergebnisse der TIMS-Studie (s. TIMS-Studie) und aktuelle Erkenntnisse aus der Lern- und Unterrichtsforschung. Ziel ist es, Lehr- und Lernprozesse im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht zu optimieren und qualitativ zu verbessern (s. MSWWF 2001, S. 25 ff.; PRENZEL o.J.)

Favorisiert wird hier ein dynamisches Modell der kontinuierlichen Ergänzung und Erneuerung von Bildung im Sinne eines lebenslangen Lernens. Danach werden "… im Laufe des Erwachsenenlebens auf der Basis eines soliden Wissensfundaments kontinuierlich neue Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, die für eine erfolgreiche Anpassung an veränderte Umstände nötig sind. Vieles, was Schüler als Erwachsene benötigen werden, können sie nicht schon jetzt erlernen. Erwerbbar sind allein die Voraussetzungen zum erfolgreichen Weiterlernen. Diese Voraussetzungen sind kognitiver und motivationaler Art" (BLK 1997, S.10).

Wesentlich für ein solches Bildungsprogramm - insbesondere in den Naturwissenschaften - ist eine Konzeption, die den Erwerb anschlussfähigen Orientierungswissens erlaubt, "… mit dem Wissen an die Besonderheiten der jeweiligen Situation angepasst oder für die systematische Erweiterung des Wissensbestandes genutzt wird". Dabei muss zwischen der direkten Anwendbarkeit erworbenen Wissens und seiner Anschlussfähigkeit im Hinblick auf Orientierung, Anpassung und Weiterlernen differenziert werden. Entsprechend weit ist der zugrundeliegende Wissensbegriff: "Er schließt Wissen über Fakten und deren Zusammenhänge, das Verständnis von Konzepten, Modellen und Theorien sowie methodologisches Wissen und methodische Kenntnisse ebenso ein wie das Wissen über das eigene Denken, Handeln und Lernen" (BLK 1997, S.10).

Eine zeitgemäße Allgemeinbildungskonzeption muss daher einerseits der Unbestimmtheit zukünftiger Lebenssituationen und der Anschlussfähigkeit erworbenen Wissens Rechnung tragen und andererseits eine "Lernen in sinnstiftenden Kontexten" ermöglichen. Sie bildet die Basis, "… von der aus sich Zielperspektiven für die allgemeinbildende Schule und auch den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht konkretisieren lassen" (BLK 1997, S. 11). Dazu gehören folgendeAnforderungen:

  sichere Beherrschung kultureller Basiswerkzeuge (z.B. Lesen, Schreiben, mathematische Symbole und Operationen, fremdsprachliche Kenntnisse)
  grundlegendes Orientierungswissen in zentralen Wissensdomänen unserer Kultur
  Fähigkeiten zur Selbstorganisation und Selbstregulation des Lernens (metakognitive Kompetenzen und motivationale Orientierungen)
  sozialkognitive und soziale Kompetenzen
(vgl. BLK 1997, S. 11 ff.).

"Im Rahmen eines modernen Allgemeinbildungskonzeptes, für das die Unbestimmtheit einer sich beschleunigt entwickelnden Wissenschaftsgesellschaft richtungsgebend ist, schafft der Fachunterricht Voraussetzungen für ein erfolgreiches Weiterlernen sowie für die gesellschaftliche Kommunikation und Teilhabe" (BLK 1997, S. 44). Darüber hinaus hat jedes Fach auch den Auftrag, die konkrete Lebenswirklichkeit der Schüler angemessen zu berücksichtigen. Für den Bereich naturwissenschaftlich orientierter Allgemeinbildung bzw. naturwissenschaftlicher Grundbildung in den Fächern Biologie, Chemie und Physik in der Sekundarstufe, aber auch im Sachunterricht der Primarstufe, geht es dabei um die Vermittlung "naturwissenschaftlicher Basiskonzepte zur Interpretation von Natur, Mensch und einer durch Naturwissenschaften und Technik gestalteten Welt" (BLK 1997, S. 44) Zur inhaltlichen Differenzierung dieser Basiskonzepte in den einzelnen Fächern vgl. BLK (1997, S. 45 ff.).

Relevante Inhalte für grundlegendes Orientierungswissen in den naturwissenschaftlichen Fächern und ihre Umsetzung im Unterricht werden national und international, besonders im angloamerikanischen Raum, aktuell unter der Zielprojektion "Scientific Literacy" diskutiert. Das Konstrukt "Scientific Literacy" im Sinne naturwissenschaftlicher Grundbildung (s. Scientific Literacy) integriert fachspezifische und fachunabhängige Kompetenzen, die erforderlich sind, um anschluss- und entwicklungsfähiges und Wissen innerhalb einer Domäne aufzubauen, das auf fachspezifischen Basiskonzepten beruht, aber auf konkrete Lebenssituation anwendbar und auf neue Situationen transferierbar ist und nicht träge bleibt.

Parallel dazu werden verschiedene (neue) Prinzipien des Lehrens und Lernens in der Schule eingefordert (vgl. BLK 1997, S. 16 ff.). Dazu gehören z.B. kumulative Lernprozesse, in denen Schüler in individuell unterschiedlichen Konstruktionsprozessen ein vernetztes, in verschiedenen Situationen erprobtes und flexibel anpassbares Wissen aufbauen sollen. Dazu gehören aber auch systematisch strukturierte Prozesse für den Aufbau konzeptuellen Wissens, die einen vertikalen Transfer innerhalb der jeweiligen Domäne zulassen und situierte Lernprozesse in konkreten Anwendungsbereichen für einen lateralen Transfer zwischen den Domänen.


Weitere Informationen:

  • www.blk-bonn.de
  • blk.mat.uni-bayreuth.de/blk
  • www.ipn.uni-kiel.de
  • Scientific Literacy
  • Konstruktivistische Lerntheorien


Literatur

BLK (1997): Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (Hrsg.): Gutachten zur Vorbereitung des Programms "Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts". Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung Heft 60, Bonn.
MSWWF (1999): Ministerium für Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Stärkung des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts. Initiativen und Projekte in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.
PRENZEL, M. (o.J.): Die Grundkonzeption des BLK-Programms "Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts", s. www.uni-kassel.de/fb19/chemdid/blk/archiv/
prenzel_grundkonzeption.htm (02.08.02).