"Boden ist eines der kostbarsten Güter der Menschheit.
Er ermöglicht es Pflanzen, Tieren und Menschen,
auf der Erdoberfläche zu leben."
(Europäische Bodencharta 1972) |
Die existentielle Bedeutung des Bodens als Grundlage der Nahrungsmittelproduktion für eine ständig wachsende Weltbevölkerung (s. Boden als Lebensgrundlage) entzieht sich weitgehend der öffentlichen Wahrnehmung. Ebenso wenig scheint die Begrenztheit dieser natürlichen Ressource und ihre zunehmende Gefährdung einschließlich der daraus resultierenden Konsequenzen für die Menschheit (s. Bodengefährdung) in der öffentlichen Diskussion eine Rolle zu spielen.
„Der ungehemmte Verbrauch von Freiflächen, das Ausufern von Siedlungsbereichen und Verkehrswegen, der grenzenlose Einsatz von Bioziden und Dünger zerstören den Boden großflächig. Er steht am Ende aller Immissionswege – er muss „jeden Dreck schlucken“. Nicht eingedenk der Bedeutung des Bodens für unser Überleben, vollziehen wir eine bodenlose Bodenvernichtung. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit“ (BUND 2001, S. 23).
Zwei Ursachenkomplexe spielen bei der fortschreitenden Bodenvernichtung eine zentrale Rolle. Zum einen handelt es sich bei der Bodendegradation um einen schleichenden Prozess, der sich der unmittelbaren Wahrnehmung entzieht. Erst im Endstadium, wenn der Bodenkörper zerstört oder irreversibel in seinen Funktionen gestört ist (s. Bodenfunktionen), werden die Auswirkungen des langfristigen Verlaufs der Bodenzerstörung sichtbar. Entsprechend hat „ … die langsame, für die menschlichen Sinne nur schwer wahrnehmbare Zerstörung der Böden … bisher zu einer eher randständigen Behandlung dieses Themas in der Umweltdiskussion geführt“ (WGBU 1994, S.1).
Der zweite Ursachenkomplex ergibt sich aus der Beziehungslosigkeit postmoderner Menschen zum Boden. Durch Industrialisierung und Arbeitsteilung leben die meisten Menschen von den Früchten der Erde ohne sich der Bedeutung des Bodens bewusst zu sein. So findet „ … die Bedrohung der Böden … in der breiten Öffentlichkeit (noch) nicht die Beachtung, die dem Grad der Zerstörung unserer Lebensgrundlage angemessen wäre. Ursache hierfür ist nicht nur die langsame, wenig spektakuläre Entwicklung der Bodendegradation, sondern vor allem auch der Verlust des Bodenkontaktes der Menschen in der postmodernen Gesellschaft. [ ... ] It´s dirty ... - und der „letzte Dreck“ ist schließlich nichts, wofür kultivierte Menschen meinen, sich interessieren zu müssen. Entsprechend groß ist dann das Erstaunen, wenn man erfährt, dass über Jahrhunderte hinweg unter „Kultur“ nichts anderes als „Agrikultur“ verstanden wurde; dass der Umgang mit dem Boden sozusagen die etymologische Wiege all unserer Kulturbemühungen ist ...“ (Held 1994, S. 33).
Nicht immer war der Boden in der Wahrnehmung der Menschen ein so selbstverständliches und wenig kostbares Gut wie heute (s. Bodenethik und Mutter Erde). Für frühere Generationen war Boden nicht „der letzte Dreck“, vielmehr war ihr Verhältnis zum Boden von Wertschätzung und Verbundenheit mit „Mutter Erde“ geprägt. Martin Held (1997) rekonstruiert die Gründe für die gesellschaftliche Ignoranz des aktuellen Bodenproblems u.a. wie folgt:
„In der Schöpfungsgeschichte wird der Stammvater der Menschen „Adam“ benannt; Martin Buber übersetzt dies mit „Erdling“; Adam steht im Hebräischen für „Mensch“ und adama für den Ackerboden. - Für lange Zeit in der Zivilisation war dies für die Menschen unmittelbar nachvollziehbar, da nach der neolithischen Revolution die Bodenbewirtschaftung den größten Teil der Menschheit beschäftigte. Noch in den Zeiten der industriellen Revolution waren viele Handwerker in den Dörfern und Kleinstädten zugleich Bauern. Darüber hinaus spielten die Gärten für die Subsistenzwirtschaft eine große Rolle. - Zwischenzeitlich lebt in den industrialisierten Ländern der überwiegende Teil der Menschen scheinbar „losgelöst“ von diesen Zusammenhängen; die Fruchtbarkeit der Erde spielt für den Lebensunterhalt und den ökonomischen Status nur noch für wenige Menschen eine Rolle“ (Held 1997, S. 34).
In den folgenden Kapiteln soll die Bedeutung des Bodens unter verschiedenen Aspekten näher betrachtet werden. Letztendlich gilt es, der fortschreitenden Zerstörung der Böden auf unserem Globus Einhalt zu gebieten, wenn wir die Grundlage unserer Existenz erhalten wollen: „Die Erde hat keinen doppelten Boden. Der Schutz des Vorhandenen ist die einzige Möglichkeit unsere Lebensgrundlage zu bewahren“ (BUND 2001, S. 23).
Weitere Informationen:
Literatur:
BUND (2001): Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. – Bundesverband (Hrsg.): Leben in der Unterwelt. BUNDargumente. Berlin. |
HELD, M. (1994): „Der letzte Dreck“. In: Politische Ökologie, Sonderheft 10: Bodenlos – zum nachhaltigen Umgang mit Böden. München: Ökom, S. 33-37. |
WBGU (1994): Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Welt im Wandel: Die Gefährdung der Böden. Jahresgutachten 1994. Bonn: Economica (s. www.wbgu.de ) |
|