„Arnika hatte sich den ganzen Vormittag
in den Stallungen eines alten Bauernhauses aufgehalten und saß
nun in der warmen Mittagssonne etwas gelangweilt auf einem verfallenen
Mäuerchen, das den kleinen Bauerngarten von der angrenzenden
Weide abtrennte. Sie sah einer kleinen Assel zu, die geschäftig
über die warmen Mauersteine eilte, so als verfolgte sie ein
bestimmtes Ziel.
Anscheinend hatte das Tierchen keine Angst, denn es lief ganz ohne
Deckung im hellen Sonnenschein.
Neugierig griff Arnika nach der Assel und war ziemlich verdutzt,
als sie statt eines Krabbeltieres ein Kügelchen in der Hand
hielt – tatsächlich, ein glänzendes, braunes Kügelchen,
das in Arnikas Hand lustig hin und her kullerte.
Das war ja komisch! Arnika legte die winzige Kugel vorsichtig auf
die Mauersteine zurück und sah mit Staunen, wie sich kurz darauf
das scheinbar leblose Kügelchen flach ausrollte und höchst
lebendig seinen Weg fortsetzte.
Es war Armadil, die kleine Rollassel, die am Tage gern ins Freie
kam und wohl wusste, dass ihr Rolltrick ein wirkungsvoller Schutz
vor Feinden war. Welcher Fressfeind will schon, wenn er es auf ein
saftiges, bewegliches Krabbeltier abgesehen hat, ein lebloses hartes
Kügelchen fressen? Viele Tieren merkten nicht einmal, dass
sich die Assel blitzschnell in eine Kugel verwandelt hatte, sie
glaubten vielmehr, die Beute sei ihnen entwischt. Kein Wunder also,
dass Armadil keine Furcht kannte und ganz offen umherspazierte.
[...]“
Quelle: SCHULZ, A. (1995): Siebenpunkt,
der Sechsbeiner. Geschichten aus dem Leben kleiner Tiere.
Frankfurt am Main: R.G. Fischer (edition fischer), S.45.
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