Vor dem Erkenntnishintergrund, "...
daß eine langfristige und dauerhafte Verbesserung der
Lebensverhältnisse für eine wachsende Weltbevölkerung
nur möglich ist, wenn sie die Bewahrung der natürlichen
Lebensgrundlagen mit einschließt" (BMU 1997, S.
9), ist das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung primär
ökologisch fundiert (vgl. Kap. 8-22 der Agenda 21 (s.
BMU o.J., S.5/6); s. Agenda
21). Nachhaltige Entwicklung unter dem Anspruch globaler
und intergenerationeller Gerechtigkeit basiert auf der Erhaltung
der verfügbaren natürlichen Ressourcen und Verbesserung
der Umweltqualität. Dabei spielt neben Klimaschutz und
Ressourcenschonung der Schutz des Naturhaushaltes, insbesondere
die Erhaltung der biologischen Vielfalt (Biodiversität)
und der Schutz der Lebensräume als Grundlage für
Leben und nachhaltiges Wirtschaften, eine zentrale Rolle.
Eine Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen
als Grundoption für nachhaltige Entwicklung setzt fundierte
Kenntnisse ökologischer Systeme, Prinzipien und Strategien
voraus. Dieses ökologische Grundwissen ist trotz zunehmender
gesellschaftlicher Akzeptanz der Ökologie1
in fast allen relevanten Bereichen gering ausgeprägt.
Ohne Wissen um und Einsicht in fundamentale ökologische
Grundprinzipien und Wirkungszusammenhänge des Lebenssystems
unseres Planeten Erde können veränderte Wahrnehmungsmuster,
Leitbilder, Lebensstile und Handlungsmodelle für notwendige
Innovationsprozesse im Rahmen nachhaltiger Entwicklung aber
nicht entwickelt werden. Schließlich ist die aktuelle
globale Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen
ein Produkt der Ignoranz des Eingebundenseins menschlicher
Entwicklung in das Gesamtsystem der Biosphäre im Sinne
einer verhängnisvollen Reduktion der natürlichen
Umwelt auf ihr nutzbares Ressourcenpotential.
"Ökologie lernen" (vgl.
MICHELSEN/ SIEBERT 1985) und "ökologisch denken
lernen" (vgl. SIEBERT 1998) sind daher für den kultivierten
Menschen im Kontext nachhaltiger Entwicklung ebenso elementar
wie lesen, schreiben und rechnen lernen. Eine solche ökologische
Grundbildung orientiert sich inhaltlich an ökologischen
Grundprinzipien und Lebensräumen, wobei die methodischen
Zugriffe sehr unterschiedlich sein können. Sie erfordert
prinzipiell eine mehrperspektivische Problemerschließung
auf der Grundlage interdisziplinärer Wissensbestände
und eine konsequente Förderung vernetzten Denkens. Im
Rahmen dieser ökologischen Grundbildung gilt es, allgemeine
Strukturen, Mechanismen und Strategien zu thematisieren, die
in ökologischen Systemen wirksam sind und diese zu einer
weitgehenden Selbstregulation befähigen. Dazu gehört
eine intensive Auseinandersetzung mit konkreten Lebensräumen
und Lebensgemeinschaften, um die Vielfältigkeit der Wirkungszusammenhänge
und Wechselbeziehungen aufzudecken.
Dazu gehört aber auch eine theoretisch
fundierte Auseinandersetzung mit dem Ökosystemkonzept,
verschiedenen Ökosystemmodellen und wesentlichen ökologischen
Grundprinzipien wie z.B. Energieumwandlung und Energiefluss,
Stoffkreislauf, Vernetzung, Gleichgewicht und Stabilität.
Diese elementaren Grundlagen können schon in der Grundschule
an relativ einfach strukturierten Systemen wie z.B. einem
Komposthaufen erarbeitet werden. Auch Grundstrukturen von
Ökosystemen und ihre Relevanz für verschiedene Lebensprozesse
lassen sich im kontrastierenden Vergleich relativ unterschiedlicher
Lebensräume wie z.B. Boden und Wasser bereits in der
Primarstufe ansatzweise ohne größere Probleme erschließen
(vgl. u.a. GÄRTNER/ HELLBERG-RODE 2001).
So entwickelte R. KNIRSCH (1990, S. 11)
auf der Basis ökologischer Grundprinzipien inhaltliche
"... Bausteine zu einem ganzheitlichen und ökologischen
Sehen, Denken und Handeln. Sie zu kennen und zu verstehen
heißt [...], mit grundlegenden ökologischen Zusammenhängen
auf der Erde vertraut zu werden". Zu diesen sogenannten
"Geheimnissen des Lebens" gehören z.B. Formenvielfalt
der Lebewesen, Angepasstheit, Stoffkreisläufe, Energiefluss
und Energieumwandlung, Stetigkeit und Veränderung, Wechselwirkung
und gegenseitige Abhängigkeiten, Lebensraum und Lebensgemeinschaft.
Mit verschiedenen Beobachtungsaufgaben, ausgewählten
Spielen und Experimenten gelingt es R. KNIRSCH (1990, 1991),
Kinder im handelnden Umgang mit Umweltphänomenen und
Lebensräumen Zugänge zu diesen ökologischen
Grundeinsichten finden zu lassen.
Kenntnis ökologischer Prinzipien,
Wissen um ökologische Zusammenhänge und die Entwicklung
eines entsprechend umweltorientierten Problembewusstseins
sind die wesentlichen Anforderungen an ökologische Grundbildung.
Verbunden damit sind didaktische Prinzipien, Schlüsselqualifikation
und Lernverfahren, die im Prinzip für den gesamten Bereich
der Umweltbildung und "Bildung für eine nachhaltige
Entwicklung" eingefordert werden (vgl. dazu u.a. BOLSCHO/
SEYBOLD 1996, GÄRTNER/ HELLBERG-RODE 2001a).
Einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung
der für die ökologische Grundbildung skizzierten
Anforderungen im Unterricht kann die Beschäftigung mit
dem Themenkomplex "Boden" leisten. Dabei spielen
u.a. folgende Aspekte eine zentrale Rolle:
|
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Boden als Ökosystem,
an dem exemplarisch verschiedene ökologische Grundprinzipien
und Zusammenhänge als "Geheimnisse des Lebens"
(s.o.) erarbeitet werden können. |
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Boden als Lebensraum
mit spezifischen Lebensraumqualitäten und einer daran
angepassten Gemeinschaft von verschiedenen Lebewesen. |
|
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Boden als Standort
für höhere Pflanzen und damit als Grundlage
für die Nahrungsmittelproduktion |
|
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Boden als Lebensgrundlage
für alle Lebewesen auf der Erde. |
Weitere Informationen:
Literatur:
BMU (o.J.): Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.):
Umweltpolitik. Konferenz der Vereinten Nationen für
Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro
- Dokumente - Agenda 21. Bonn. |
BMU (1997): Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.):
Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland.
Bericht der Bundesregierung anlässlich der UN-Sondergeneralversammlung
über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York. Bonn. |
BOLSCHO, D./ SEYBOLD, H. (1996):
Umweltbildung und ökologisches Lernen. Berlin: Cornelsen
Scriptor. |
GÄRTNER, H./ HELLBERG-RODE,
G.(Hrsg.) (2001): Umweltbildung & nachhaltige Entwicklung.
Band 2: Praxisbeispiele. Baltmannsweiler: Schneider Verlag
Hohengehren. |
GÄRTNER, H./ HELLBERG-RODE,
G. (2001a): Umweltbildung und Gestaltungskompetenz für
nachhaltige Entwicklung. In: Gärtner, H./ Hellberg-Rode,
G. (Hrsg.): Umweltbildung & nachhaltige Entwicklung.
Band 1: Grundlagen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag
Hohengehren, S. 7-29. |
KNIRSCH, R.R.(1990): Kommt mit,
wir machen was! Das Umweltbuch für alle, die mit
Kindern leben. Münster: Ökotopia |
KNIRSCH, R.R. (1991): Unsere
Umwelt entdecken - Spiele und Experimente für Eltern
und Kinder. Münster: Ökotopia. |
LESER, H. (1991): Ökologie
- wozu? Der graue Regenbogen oder Ökologie ohne Natur.
Berlin; Heidelberg: Springer. |
MICHELSEN, G./ SIEBERT, H. (1985):
Ökologie lernen. Anleitungen zu einem veränderten
Umgang mit Natur. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch. |
SIEBERT, H. (1998): Ökologisch
denken lernen. In: Beyersdorf, M./ Michelsen, G./ Siebert,
H. (Hrsg.): Umweltbildung. Theoretische Konzepte, empirische
Erkenntnisse, praktische Erfahrungen. Neuwied; Kriftel:
Luchterhand, S. 84-93. |
1 Ökologie
wurde von Ernst Haeckel schon 1866 begründet und definiert
als "Wissenschaft von den Wechselbeziehungen des Organismus
zur umgebenden Außenwelt, wohin wir im weitesten Sinne alle
Existenzbedinungen rechnen können ". Wir legen hier
einen raumbezogenen Ökologiebegriff zugrunde, wonach
Ökologie definiert wird als "Wissenschaft von den
Wechselbeziehungen zwischen den Organismen untereinander,
zu ihrer Umwelt und zu deren Geoökofaktoren. Untersuchungsgegenstand
sind Ökosysteme, die sich räumlich in den Ökotopen
oder in anderen ökologischen Raumeinheiten (konkret)
repräsentieren" (Leser 1991, s. 69)
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