„Mutter Erde ist die Mutter allen Lebens, der Pflanzen, der Tiere und der Menschen. Aus ihrem fruchtbaren Schoß kommt alles Leben hervor und geht wieder zu ihr zurück“ (MARQUARDT-MAU 1988, S. 86). Dieses Sinnbild wurde im Laufe der Menschheitsentwicklung von vielen Kulturen und Religionen in ähnlicher Form zum Mittelpunkt des Weltbildes erhoben. Die Erde wurde als Gebärerin und Kraft des Lebens, als Göttin, Geliebte oder Mutter des Todes verehrt. Dies hatte letztendlich einen behutsamen, ökologisch-verantwortlichen und nachhaltigen Umgang mit dem Boden zur Folge. Hier offenbart sich ein religiös motiviertes Bodenbewusstsein und eine besondere Bodenethik.
Kulturgeschichtlich gesehen ist der Mutter-Erde-Kult bereits bei Gesellschaftsformen zu finden, die den Ackerbau noch nicht kannten. Die Verehrung der „Mutter Erde“ hatte jedoch insbesondere in Pflanzer- und Ackerbaukulturen ihren Ort. „Hier hängt das menschliche Leben vorwiegend von den Erzeugnissen der Erde ab. Aus der Erde kommen die Ernten und wachsen alle anderen Nutzpflanzen.“ (PETTAZZONI 1960, S. 83). Religionsgeschichtlich betrachtet wurde die Vegetationskraft der Erde mit der weiblichen Mutterschaft verglichen. „Aus dem Samenkorn, das in die Erde gesteckt wird, entsteht das Wachstum der Pflanze. Die Erde ist die große Mutter der Erzeugung und Erschaffung“(PETTAZZONI 1960, S. 83). Bestimmte Kulturpflanzen wie zu Beispiel der Mais wurden mit der gebärenden und nährenden Mutter in Verbindung gebracht.
Heutzutage ist aus dem Erdboden dagegen „… ein neutraler Gegenstand, eine Sache geworden, die man gebraucht und verbraucht“ (MARQUARDT-MAU 1988, S. 86). Mit der Abkehr von einer mythischen, metaphysischen oder theologischen Weltdeutung und der zunehmenden Instrumentalisierung und Beherrschung der Natur wurde das Sinnbild „Mutter Erde“, das gemeinsame Band zwischen Mensch und Natur, verdrängt.
Ein historischer Streifzug durch die kulturellen und religiösen Bedeutungswelten des Bodens verdeutlicht eine elementare Wertschätzung von „Mutter Erde“, die in der heutigen Gesellschaft weitgehend verloren gegangen ist (s. weiterführende Texte).
Übersicht über den Kapitelinhalt:
• Das Lied der Erde
• Mutter Erde in der Altsteinzeit
• Magna Mater in der Jungsteinzeit
• Gaia und Demeter in der griechischen Antike
• Agrikultura in der römischen Antike
• Mutter Erde in der Indianerkultur und -religion Nordamerikas
• Pachamama in der Indianerkultur und -religion Südamerikas
• Mutter Erde und „Erdling“ in der christlichen Religion
• Gaia - Die Erde ist ein Lebewesen (20. Jahrhundert)
Interessante Links:
• Sprichwörter und Gebete: http://members.chello.at/friedrich.turnau/id46.htm
• Heilige Mutter Erde: http://geocities.com/odinicde/gods/erde.html
Weiterführende Literatur:
DIETRICH, A. (1925): Mutter Erde. Ein Versuch über Volksreligion. 3. Auflage. Leipzig: B.G. Teubner.
EHMER, M.K. (1994): Göttin Erde. Kult und Mythos der Mutter Erde. Berlin: Zerling.
Literatur
MARQUARDT-MAU, B. (1988): Mutter Erde. In: Schächter, M. (Hrsg.): Mittendrin – die Erde hat kein dickes Fell. Berlin: Mann-Verlag, S.85- 95.
PETTAZZONI, R. (1960): Der allwissende Gott. Zur Geschichte der Gottesidee. Hamburg: Fischer.
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