Als Lebensformen
oder Lebensformtypen bezeichnet
man Organismen, die an bestimmte Bedingungen ihrer Umgebung
besonders angepasst sind und diese in gleicher Weise nutzen.
Verschiedene Arten haben hier einen ähnlichen oder weitgehend
gleichen Organisationstyp entwickelt, der sich auf unterschiedliche
Bereiche beziehen kann, z.B. Gestalt, Lebensweise, Fortbewegung
und andere Verhaltensweisen, Ernährungsformen oder Entwicklungsweisen
(BRUCKER/ KALUSCHE 1990). Eine Gruppierung zu bestimmten Lebensformtypen
beschränkt sich in der Regel immer auf einzelne Faktoren
oder -komplexe, so dass eine Tierart u.U. verschiedene Lebensformtypen
repräsentieren kann.
Hinsichtlich des Lebenszyklus lassen sich
folgende Lebensformen im Boden unterscheiden
(nach JACOT 1940 zit. bei JOGER 1989, S. 137):
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inaktive Geophile:
Arten, die in Böden überwintern oder dort ein
Ruhestadium in ihrer Entwicklung vollziehen, sonst aber
außerhalb des Bodens leben und sich nicht an der
Bodenbildung beteiligen (z.B. winterschlafende Säugetiere,
Reptilien, Amphibien und Gliedertiere). |
• |
aktive Geophile:
Arten, die bestimmte Entwicklungsstadien im Boden vollziehen
und sich aktiv an der Bodenbildung beteiligen, z.B. die
Larven zahlreicher Fluginsekten. |
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Geobionten: Arten,
die ihr ganzes Leben im Boden verbringen und nachhaltig
an der Bodenbildung und -entwicklung beteiligt sind, z.B.
Würmer oder Kleinarthropoden wie Tausendfüßer,
Springschwänze und Milben. |
Analog dazu differenzieren SCHEFFER/ SCHACHTSCHABEL
(2002, S. 83): permanente, temporäre, periodische und
alternierende Bodentiere.
Auch hinsichtlich der Ernährung lassen
sich im Boden verschiedene Lebensformtypen unterscheiden,
z.B. autotrophe und heterotrophe Organismen, Zoophage, Phytophage
oder Saprophage (s. Ernährungstypen
und Ernährungsweise). Diese unterschiedlichen Ernährungstypen
finden sich aber auch in anderen Lebensräumen.
Umstritten sind solche Lebensformtypen,
die aufgrund ihrer Fortbewegungsweise z.B. in Bodenhafter,
Bodenkriecher oder -schliefer, Bodenschwimmer und Bodenwühler
differenziert werden (s. BRAUNS 1968, S. 70/71 und BRUCKER/
KALUSCHE 1990, S. 117).
Weiterhin findet man im Boden verschiedene
Tierarten, die ähnliche Verhaltensweisen zeigen. So sind
z.B. einige Hornmilbenarten, Asseln, Saftkugler, Springschwänze
und Schnurfüßer in der Lage, sich einzurollen,
um sich vor äußeren Einwirkungen zu schützen.
Auch der Igel gehört zu diesem sogenannten „Kugeltyp“
(s. BRUCKER/ KALUSCHE 1990, S. 118 f.; TOPP 1981, S. 59; BRAUNS
1968, S. 93).
Deutlich eindrucksvoller sind solche Lebensformtypen,
die spezifische Anpassungen an die besonderen Lebensbedingungen
im Boden zeigen, speziell an die Bedingungen, welche sich
aus der geschichteten Struktur des Bodenkörpers ergeben
(s. Lebensbedingungen
im Boden). Das sind z.B. zunehmende Bodendichte und abnehmendes
Porenvolumen mit reduzierten Anteil von Grobporen, zunehmende
Feuchtigkeit sowie steigender Sauerstoff- und Lichtmangel
mit zunehmender Bodentiefe. Analog dazu lassen sich drei Bereiche
identifizieren, die durch abweichende Standortverhältnisse
charakterisiert sind: Bodenoberfläche (partiell belichtet,
reich an organischer Substanz, wenig dicht, gut dräniert
und belüftet), oberflächennahe Bodenzone (locker
und humusreich) und verdichtete mineralbodenreiche Tiefenbodenzone.
Allgemein konzentrieren sich die Bodentiere auf die Oberflächen
und oberflächennahen Schichten, weil hier das Material
locker geschichtet ist und ausreichend Nahrung und Luft zur
Verfügung stehen. Mit zunehmender Bodentiefe reduziert
sich der Anteil an organischer Substanz und die Hohlräume
zwischen den Bodenpartikeln werden immer kleiner, so dass
sie nur schwer oder nicht mehr besiedelt werden können.
Einige Bodentiergruppen sind im Boden mit
mehreren Arten vertreten, die hier unterschiedliche Zonen
besiedeln und so u.a. der direkten Konkurrenz mit nahe verwandten
Arten aufgrund ähnlicher Lebensansprüche entgehen.
Es lassen sich hier epedaphische,
d.h. auf die Bodenoberfläche konzentrierte, hemiedaphische
(in den oberflächennahen Bodenzonen) und euedaphische
(im Bodenkörper) Lebensformtypen
differenzieren (s. Lebensgemeinschaften).
Allgemein sind die Oberflächenarten größer,
stärker pigmentiert und differenziert (Beine, Fühler
u.a. Körperanhänge), während die euedaphischen
Tiefenarten sehr klein, kompakt und kaum pigmentiert, häufig
weißlich oder durchsichtig sind (weitere Details s.
WICHARD 1998).
Insbesondere bei den zahlreich im Boden
vertretenen Springschwanzarten lassen sich unterschiedliche
Lebensformtypen beobachten, die an die speziellen Lebensbedingungen
in den verschiedenen Bodenschichten unterschiedlich angepasst
sind (s. Grafik).
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Springschwanzarten unterschiedlicher
Bodenschichten (Abb.
verändert nach DUNGER 1964, S. 136 und 137) |
a |
hemiedaphische Lebensweise |
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d |
hemiedaphische Lebensweise |
b |
unterschiedlich stark euedaphisch |
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e |
vorwiegend euedaphisch |
c |
unterschiedlich stark euedaphisch |
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f |
rein euedaphisch |
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Die vorzugsweise an der Bodenoberfläche
lebenden Arten sind meist deutlich größer, dicht
behaart oder beschuppt und stärker pigmentiert. Die Extremitäten
sind gut entwickelt, ebenso die Fühler und die Sprunggabel.
Im Gegensatz dazu sind die euedaphischen Arten als Bewohner
der tieferen Bodenschichten deutlich kleiner. Ihr Körper
ist häufig langgestreckt und wurmförmig, die Extremitäten
sind verkürzt und Fühler sowie Sprunggabel stark
reduziert. Behaarung und Pigmentierung sind ebenfalls zurückgebildet
oder fehlen vollständig.
Auch bei den verschiedenen Milbenarten
im Boden lassen sich solche lebensformspezifischen Anpassungserscheinungen
gut beobachten (s. Grafik).
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Milben- und Springschwanzarten
unterschiedlicher Bodenschichten (Abb.
verändert nach BRAUNS 1968, S. 93) |
Die Entwicklung verschiedener Lebensformtypen
lässt sich auch bei Regenwürmern gut nachweisen.
Die epigäischen Regenwurmarten
leben an der Bodenoberfläche in der Streuschicht. Sie
sind überwiegend kräftig und dunkel pigmentiert,
weniger trockenheitsempfindlich, sehr mobil und besitzen nur
eingeschränkte Fähigkeiten zum Graben. Dazu gehört
z.B. der Mistwurm (Eisenia fetida). Die anektischen
bzw. anözischen Regenwurmarten
leben oberflächennah, ernähren sich von Falllaub
an der Bodenoberfläche, besitzen eine starke Grabmuskulatur
und können bis zu 3 m tiefe Röhren graben. Dazu
gehört z.B. der gemeine Regen- oder Tauwurm (Lumbricus
terrestris). Die endogäischen
Regenwurmarten leben in den tieferen Bodenschichten und können
auch graben, besitzen aber eine deutlich schwächere Grabmuskulatur.
Sie sind pigmentlos und kommen kaum an die Oberfläche,
sondern ernähren sich überwiegend vom organisch
angereicherten Mineralboden (s. Regenwurm-Werkstatt;
vgl. JOGER 1989, S. 139 ff. und DUNGER 1983).
Literatur
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BRAUNS, A. (1968): Praktische
Bodenbiologie. Stuttgart: G. Fischer. |
BRUCKER, G./ KALUSCHE, D. (1990):
Boden und Umwelt. Bodenökologisches Praktikum - 2.
Auflage - Heidelberg; Wiesbaden: Quelle & Meyer. |
DUNGER, W. (1964): Tiere im Boden.
Wittenberg: A. Ziemsen. |
DUNGER, W. (1983): Tiere im Boden
- 3. Auflage - Wittenberg: A. Ziemsen. |
JOGER, U. (Hrsg.) (1989): Praktische
Ökologie. Frankfurt a. M.: Diesterweg - Aarau; Frankfurt
a.M.; Salzburg: Sauerländer. |
SCHEFFER, F./ SCHACHTSCHABEL,
P. (2002): Lehrbuch der Bodenkunde - 15. Auflage -. Heidelberg;
Berlin: Spektrum Akademischer Verlag. |
TOPP, W. (1981): Biologie der
Bodenorganismen. Heidelberg: Quelle & Meyer. |
WICHARD, W. (1998): Lebensformen
der Bodenarthropoden. Praxis der Naturwissenschaften -
Biologie 47, Heft 4, S. 1-3. |
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