Die römische
Antike und vor allem die landwirtschaftliche Fachliteratur
des römischen Reiches (ca. 1-2 Jh.v.Chr. – 4./5.
Jh.n.Chr) gibt einen weiteren Einblick in die historische
Bodenbedeutung. Diesem Zeitalter ist zu verdanken, dass über
Jahrhunderte hinweg unter „Kultur“ nichts anderes
als „Agrikultur“ verstanden wurde. Der elementare
Umgang mit dem Boden ist „… sozusagen die etymologische
Wiege all unserer Kulturbemühungen“ (HELD 1997,
S. 33). Der Begriff „Kultur“ kommt von der Tätigkeit
des „Drehens“, des Wendens des Pfluges am Ende
der Furche - der „Agri-Kultur“ (vgl. WINIWARTER
1997, S. 66).
Die Römer gingen sehr pfleglich mit
dem Boden um. Das macht u.a. die doppelte Bedeutung des lateinischen
Verbs „colere“ deutlich: bebauen, bestellen und
pflegen, verehren. Im Gegensatz zu den heutigen Agrarwissenschaften,
die den Boden als „unbelebten Mineralkörper“
betrachten, wurde der Boden von der römischen Agrarkunde
als „… belebtes Substrat das in Wechselwirkung
mit den menschlichen Eingriffen steht“ wahrgenommen.
Die Römer betrachteten den lebendigen Boden als „Mutter
der Pflanzen“ und pflegten ihn entsprechend (vgl. WINIWARTER
1997, S. 66).
Ein Gedicht über den Gartenbau von
Columella - ein bedeutender landwirtschaftlicher Fachliterat
aus dem 1.Jh. n. Chr. - beschreibt die Erde als „begehrende
Mutter“. Columella verwendet den Terminus „terra“
auch im Sinne von „terra mater“, d.h. „Muttergöttin
Erde“ (vgl. WINIWARTER 1997, S. 69). Dem Text Columellas
„Über Landwirtschaft“ ist folgende Passage
entnommen:
„Oft höre ich, wie die Ersten
unserer Bürger bald über die Unfruchtbarkeit der
Äcker klagen, bald über die Ungunst des Wetters,
die schon lange den Früchten schade; manche höre
ich auch, die diese Klagen sozusagen durch eine bestimmte
Begründung abschwächen, weil sie meinen, durch
allzu große Ergiebigkeit in der Vergangenheit sei
der Boden völlig erschöpft und ausgemergelt und
könne daher nicht in der früheren Fülle den
Menschen Nahrung bieten. Diese Gründe, Publius Silvinus,
sind, wie ich überzeugt bin, von der Wahrheit weit
entfernt; denn es ist Sünde zu glauben, dass die Natur,
die der Urschöpfer der Welt mit ewiger Zeugungskraft
beschenkt hat, gleichsam durch eine Krankheit mit Unfruchtbarkeit
geschlagen sei, und ein verständiger Mann kann auch
nicht annehmen, die Erde sei wie ein Mensch gealtert, die
Erde, die doch, mit göttlicher und ewiger Jugend begabt,
aller Dinge Mutter genannt worden ist, weil sie alles immer
geboren hat und stetig weiter gebären wird. Demnach
glaube ich, dass (…) wir selber daran schuld sind,
die wir die Landwirtschaft dem allerschlechtesten der Sklaven
wie einem Henker zur Bestrafung auszuliefern pflegen, während
doch von unseren Vorfahren stets gerade die besten sich
nach ihrem besten Vermögen ihr gewidmet haben. (…).“
(BAYERL & TROITZSCH 1998, S. 45 ff.)
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verändert nach: K.D. White 1970,
Bild 73 |
Literatur
BAYERL, G. / TROITZSCH, U. (1998):
Quellentexte zur Geschichte der Umwelt von der Antike bis
heute. Göttingen: Hansen-Schmidt.
HELD, M. (1997): „Der letzte Dreck“. Gründe
für die gesellschaftliche Ignoranz des Bodenproblems.
In: Politische Ökologie, Sonderheft 10: Bodenlos - Zum
nachhaltigen Umgang mit Böden, S. 33-37.
WHITE, K.D. (1970): Roman farming. London / South-Hampton
WINIWARTER, V. (1997): Agrikultura. Boden-Kultur bei den Römern.
In: Politische Ökologie, Sonderheft 10: Bodenlos - Zum
nachhaltigen Umgang mit Böden, S. 66-69.
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