Nicht nur die Schwerkraft verbindet uns
mit dem Boden unter unseren Füßen, vielmehr ist
ohne Boden eine Realisation des Phänomens Leben in seinen
vielfältigen Formen nicht möglich. Fruchtbarer Boden,
auf dem Pflanzenwachstum und Nahrungsmittelproduktion möglich
sind, ist die Grundlage menschliche Existenz.
Boden ist nicht nur die lockere, oft nur
wenige Zentimeter dicke Verwitterungsschicht der äußeren
Erdkruste, sondern ein hochkomplexes Ökosystem und das
Produkt der Lebenstätigkeit einer arten- und individuenreichen
Gemeinschaft von Bodenorganismen. So leben in einer Handvoll
Boden oft mehr Organismen als es Menschen auf der Erde gibt.
Zahlreiche Mikroorganismen, Pilze, Algen und Bodentiere nutzen
den Boden als Lebensraum
und sorgen dafür, dass dort komplexe Umwandlungsprozesse
ablaufen, die den Boden zunehmend mit organischer Substanz
anreichern und die Bodenfruchtbarkeit erhöhen.
Boden als Standort
für höhere Pflanzen ist Grundlage für
pflanzliche Primärproduktion durch Photosynthese und
bildet den Ausgangspunkt für die Nahrungskette. Er ist
damit Lebensgrundlage für
alle Lebewesen auf der Erde. Darüber hinaus erfüllt
Boden vielfältige Funktionen,
die für die Existenz und Entwicklung menschlicher Gesellschaften
essentiell sind, z.B. bei der Trinkwasserversorgung, als Baustoff
und Lieferant von Rohstoffen, als Lagerstätte fossiler
Energieträger, als natur- und kulturhistorisches Archiv,
aber auch als Bezugspunkt für Bodenständigkeit und
Heimat (s. Bodenfunktionen
). Bezeichnungen wie "Mutterboden" oder "Mutter
Erde" betonen die existentielle
Bedeutung des Bodens (s. Mutter
Erde ).
Besonders unter den Aspekten "Boden
als Lebensraum" und "Boden als Lebensgrundlage"
gewinnt das Themenfeld "Boden" im Zusammenhang mit
den bildungspolitischen Forderungen nach naturwissenschaftlicher
Grundbildung (s. Ökologische
Grundbildung) und anschlussfähigem Orientierungswissen,
problemorientierter Allgemeinbildung, Umweltbildung und Bildung
für nachhaltige Entwicklung (s. Didaktische
Legitimation) zunehmend an Bedeutung. So können am
Themenfeld "Boden" nicht nur allgemeine biologische
und ökologische Prinzipien (z.B. Formenvielfalt, Variabilität
der Lebensbedingungen, Angepasstheit, Stoffkreislauf etc.)
oder Aspekte des Geofaktors Boden exemplarisch erarbeitet
werden, sondern auch modellhaft die Wechselwirkungen zwischen
belebter und unbelebter Natur oder die Auswirkungen menschlicher
Eingriffe untersucht werden.
Boden ist fast überall in ausreichender
Menge verfügbar und zeigt unterschiedliche Entwicklungsstufen
und Ausprägungen. Für praktische Untersuchungen
vor Ort ist Boden einfacher zugänglich als viele andere
Ökosysteme und um Bodenlebewesen, Bodenbildungs- und
Bodenentwicklungsprozesse aufzuspüren, reicht oft schon
ein Komposthaufen. Die Einsichten und Erkenntnisse, die bei
der Auseinandersetzung mit dem Phänomenkomplex "Boden"
gewonnen werden können, sind grundlegend, anschlussfähig
und fächerübergreifend vernetzt. Darüber hinaus
sind die Möglichkeiten, bei den Schülerinnen und
Schülern Faszination und Interesse für das Phänomen
Leben und seine unterschiedlichen Realisationsmöglichkeiten
oder den Prozess der Entwicklung unserer Erde zu wecken, bei
der Auseinandersetzung mit dem auf den ersten Blick hin scheinbar
amorphen und leblosen Boden relativ groß. Das umweltpädagogisch
so wichtige Potenzial, die affektive Grundhaltung der Schülerinnen
und Schüler positiv in Richtung "Achtung vor der
Mitwelt" und "Verantwortung für die Lebensgrundlagen"
zu beeinflussen, ist bei der Beschäftigung mit dem Element
Boden, der von vielen mit "Schutz" und "Dreck"
assoziiert wird, relativ hoch.
Das Themenfeld "Boden" vernetzt
unterschiedliche fachliche Inhalte und Perspektiven und eignet
sich als Schwerpunktthema besonders für den Sachunterricht
in der Grundschule und den Biologie- und Geographieunterricht
oder naturwissenschaftlichen Unterricht in der Sekundarstufe
u.a. deshalb, weil er:
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existenzielle Bedeutung für das
menschliche Leben auf der Erde besitzt, |
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modellhaft die Auseinandersetzung
des Menschen mit der natürlichen Umwelt und ihre
Gefährdung verdeutlichen kann, |
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zur unmittelbaren Erfahrungs- und
Erlebniswelt der Schülerinnen und Schüler gehört, |
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fast überall in ausreichender
Menge verfügbar und damit auch für praktisches
Lernen vor Ort leichter zugänglich als andere Bereiche, |
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vielfältige Aspekte unterschiedlicher
Wissenschaftsdisziplinen integriert, |
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eine Vielzahl von Möglichkeiten
für projektorientiertes Lernen bietet, |
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sowohl unterschiedliche fachspezifische
Fragestellungen als auch verschiedene fachmethodische
Zugriffe vorzustellen und anzuwenden erlaubt, |
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interessante Verknüpfungsmöglichkeiten
mit weiteren Umweltthemen und Lebensbereichen und somit
das Aufdecken von Zusammenhängen und Wechselwirkungen
mit anderen Systemen ermöglicht, |
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geeignet ist, die Leitidee nachhaltiger
Entwicklung mit ihren Grundprinzipien der Globalität,
Retinität und Intergenerationalität zu thematisieren
und bewusst zu machen, |
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handlungs- und problemorientiertes
Lernen ermöglicht, |
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aktives, methodengeleitetes Erleben,
Entdecken, Erforschen und Verstehen fördert, |
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dazu beiträgt, die umweltbezogene
Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit zu schulen, |
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es ermöglicht, negative Einflüsse
menschlicher Lebenstätigkeit und Schädigungen
der Umwelt exemplarisch darzustellen und mögliche
Handlungskonsequenzen nicht nur zu antizipieren, sondern
u.U. auch experimentell zu simulieren. |
Weitere Informationen:
Literatur:
BLUME, H.-P./ FRAEDRICH, W. (1998):Boden
im Unterricht. Geographie heute Heft 161, S. 2-5. |
HASSENPFLUG, w. (2000): Der Boden
als Bildungsgegenstand des Geographieunterrichts - zum
didaktischen Hintergrund bodenkundlicher Themen. Geographie
und Schule Heft 126, S. 2-9. |
HELLBERG-RODE, G.(1997): Lebensraum
Boden - Relevanz und praktische Umsetzung im Biologieunterricht.
In: Vogt, H./ Sieger, M. (Hrsg.): Berichte des Institutes
für Didaktik der Biologie, IDB Münster 6, S.
71-88. |
OTTO, K.-H. (2001): Boden - die
geheimnisvolle Haut unserer Erde. In: Gärtner, H./
Hellberg-Rode, G. (Hrsg.): Umweltbildung & nachhaltige
Entwicklung, Band 2: Praxisbeispiele. Baltmannsweiler:
Schneider Verlag Hohengehren, S. 13-46. |
SAUERBORN, P. (2000): Der Boden
- ein zukunftsorientiertes Thema im Erdkundeunterricht.
In: Eckart, K./ Neuhoff, E./ Neuhoff, O. (Hrsg.): Das
vereinigte Deutschland auf dem Weg in das 21. Jahrhundert.
Herausforderungen und Chancen für den Geographieunterricht.
Tagungsband zum 27. Dt. Schulgeographentag in Duisburg.
Braunschweig, S. 90-94. |
SAUERBORN, P. (2000): Der Boden
als Unterrichtsobjekt. Grundschulunterricht Heft 2, S.
4-8. |
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