Gedichte, Lieder
und Geschichten vieler Indianerstämme Nordamerikas berichten
über das Sinnbild „Mutter Erde“. Die nordamerikanischen
Indianer „… sahen den Menschen als Teil des Kosmos,
in dem alle Dinge und Lebewesen lebendig waren und über
eine eigene Seele verfügten. (…) Wenn ein Indianer
die Erde als seine Mutter bezeichnete, sagte er damit aus,
dass er Tiere, Pflanzen, sogar Steine und Sand in gleichem
Maß achtete wie seine nächsten Verwandten. Wer
die Natur verletzte, handelte genauso frevelhaft wie ein Soldat,
der eine indianische Frau verwundete.“ (JEIER 1985,
S. 11).
Im Glauben der Indianer wohnt jedem Element
der Natur eine Seele inne. Diese gilt es mit Respekt und Ehrfurcht
zu achten. So stieß es auf völliges Unverständnis,
wenn die Weißen Land kaufen wollten. Der Handel mit
Land und Boden bedeutete für sie die Seele der Erde zu
verkaufen. Eine Indianerweisheit besagt, dass der heiligen
Erde kein Leid zugefügt werden darf. Zwar betrieben einige
sesshafte Indianer Ackerbau und Viehzucht, jedoch wurden aus
Ehrfurcht vor jeder Feldarbeit beschwörende Gebete gesprochen,
„… weil sie einen Teil des Bodens benutzten und
sich deshalb schuldig fühlten; niemals bestellten sie
mehr Land, als unbedingt zum Leben notwendig war.“ (JEIER
1985, S. 41).
Folgender Spruch des Indianerstammes der
Smohalla verdeutlicht ihre Achtung vor „Mutter Erde“
und den respektvollen Umgang mit ihr:
„Du befiehlst mir, die Erde zu
pflügen. Soll ich ein Messer nehmen und den Busen meiner
Mutter zerschneiden?
Du befiehlst mir, nach Steinen zu graben. Soll ich unter
ihrer Haut nach den Knochen graben?
Du befiehlst mir, das Gras zu schneiden, Heu zu machen,
es zu verkaufen und reich wie der Weiße Mann zu werden?
Aber kann ich es wagen, die Haare meiner Mutter abzuschneiden?“
(Smohalla (Wanagum) zitiert nach JEIER 1985, S. 42)
Eine ähnliche Verehrung und tiefe
geistige Verbindlichkeit zum Boden drücken auch die Worte
des Stammesführers der Cayuse aus:
„Der Boden sagt: Der Große
Geist hat mich hierher getan. Der Große Geist befiehlt
mir, für die Indianer zu sorgen, sie gut zu ernähren.
(…) Der Große Geist hat mich hierher getan,
damit ich alles, was auf mir wächst, Bäume und
Früchte, hervorbringe. Ebenso sagt der Boden: Aus mir
wurde der Mensch geschaffen. Der Große Geist wollte,
als er die Menschen auf die Erde brachte, dass sie sich
gut um den Boden kümmern und sich nicht gegenseitig
Böses antun.“
(LOWENSTEIN & VITEBSKY 1997, S. 50)
Jeder Indianerstamm hat einen eigenen Schöpfungsmythos.
Im Stamm der Navaho Indianer zum Beispiel wird von Generation
zu Generation weitergegeben, dass „die ersten Menschen
aus dem Schoß der Erde“ auftauchten und über
einen „mühsamen Weg (…) an das Licht“
gelangten. „Jede Geburt ist dann die Wiederholung des
großartigen Geschehens, der Geburt der ersten Menschen,
die einmal aus der Erde hervorgekommen sind“ (MARQUARDT-MAU
1988, S. 90).
Die Mythen, die von der Abhängigkeit
der Erde als Nahrungsspenderin zeugen, sind ebenfalls sehr
vielfältig. Oftmals handeln diese vom Mais, der das Grundnahrungsmittel
vieler Indianerstämme war. Eine Geschichte der Mandan,
die in der Prärie hauptsächlich vom Maisanbau lebten,
erzählt zum Beispiel von der „Großmutter
Erde“, die in einer Höhle wohnt und die Menschen
mit Mais, Bohnen und Büffelfleisch versorgt (s. Texte
und Gedichte). Die Tuscarora, ein Stamm aus dem Nordwesten,
lebten in der Überzeugung von einem Maisgott abhängig
zu sein (s. Texte und Gedichte). Die Tuscarora, ein Stamm
aus dem Nordwesten, lebten in der Überzeugung von einem
Maisgott abhängig zu sein (s. Texte und Gedichte).
Texte und Gedichte
Weiterführende Texte
TRADITIONELLER KREIS INDIANISCHER ELDERS
UND DER JUGEND (1989): Rechte und Verpflichtungen gegenüber
Mutter Erde. In: Buschenreiter, A. (1995): Spuren des Großen
Geistes. Indianische Weisheiten der Gegenwart. 2. Auflage.
Göttingen: Lamuv, S. 91-101.
Literatur
JEIER, T. (1985): Die Erde ist unsere
Mutter. Münster: Coppenrath.
LOWENSTEIN, T. / VITEBSKY, P. (1997): Die Macht des Totem:
Die Indianer. Amsterdam: Time-Life Books.
MARQUARDT-MAU, B. (1988): Mutter Erde. In: Schächter,
M. (Hrsg.): Mittendrin - die Erde hat kein dickes Fell. Berlin:
Mann-Verlag, S. 85- 95.
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