Im Kontext der Allgemeinbildungsdebatte
und der Forderung nach grundlegender Bildung, angemessener
Kerncurricula und Vermittlung anschlussfähigen Orientie-rungswissens
wurde von der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts
(GDSU) in einem intensiven Dialog mit Vertretern aus Forschung,
Unterrichtspraxis, Bildungspolitik und Schulverwaltung der
"Perspektivrahmen Sachunterricht"
(vgl. GDSU 2001, 2002) entwickelt. Ziel ist es, den Sachunterricht
in der Grundschule zu enttrivialisieren und an die "Wissensbestände
der Wissenschaften" (SCHREIER 2001, S.9) zu binden und
damit die Lernfähigkeit wie Lernbereitschaft von Anfang
an angemessen zu fördern.
Primäre Aufgabe des Sachunterrichtes
in der Grundschule ist es, den Kindern sachgerechte Hilfestellungen
für die Erschließung ihrer Lebenswirklichkeit zu
geben. Es gilt, "... die natürliche, soziale und
technisch gestaltete Umwelt bildungswirksam zu erschließen
und dabei auch Grundlagen für den Fachunterricht an den
weiterführenden Schulen zu legen" (GDSU 2002, S.
9). Daraus ergibt sich für den fächerübergreifend
konzipierten Lernbereich Sachunterricht, dessen Inhalte Bereiche
berühren, "... für die verschiedene natur-
und sozialwissenschaftliche Disziplinen fachlich fundiertes
Wissen und methodisch bewährte Verfahren zur Verfügung
stellen" (GDSU 2002, S. 10), eine besondere curriculare
Herausforderung (vgl. SCHREIER 2001).
Hier greift der "Perspektivrahmen Sachunterricht".
Zur bildungswirksamen und anschlussfähigen, wissenschaftlich
fundierten Erschließung der Umwelt wurden fünf
Perspektiven identifiziert, die sicherstellen sollen, dass
"alle Wissenschaftsbereiche der späteren Sachfächer,
die kulturell besonders bedeutsam sind, angemessen be-rücksichtigt
werden" (GDSU 2001, S. 9):
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die sozial- und kulturwissenschaftliche
Perspektive, |
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die raumbezogene, geowissenschaftlich
orientierte Perspektive, |
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die naturbezogene, naturwissenschaftlich
orientierte Perspektive, |
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die technische Perspektive und |
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die historische Perspektive |
Die Perspektiven selbst und die ihnen zugeordneten Inhalte
und Methoden müssen miteinander vernetzt werden, um übergreifende
Zusammenhänge transparent zu machen und für Normen-
und Wertfragen zu erschließen. "Grundlegend für
die didaktische Philosophie des Perspektivrahmens ist die
Formulierung von Spannungsfeldern zwischen Erfahrungen der
Kinder und fachlich gesichertem Wissen" (GDSU 2002, S.
11).
Die Konkretisierung der Perspektiven orientiert
sich an den Erfahrungen und Lernbedürfnissen der Kinder
und formuliert die jeweilig grundlegenden Wissensbestände,
die notwendig sind, um bereichsspezifische und disziplinübergreifende
Kompetenzen aufzubauen: "Der Perspektivrahmen kann als
ein den didaktischen und methodischen Herausforderungen des
Sachunterrichts angemessenes Kerncurriculum gelesen werden,
das die notwendige Balance zwischen allgemein verbindlichen
Zielen und Offenheit in der inhaltlichen und methodischen
Gestaltung wahrt. [...] So ist der Perspektivrahmen - bei
vorhandenen Freiräumen für situatives und individuelles
Lernen - in allen fünf Perspektiven anschlussfähig
für inhalts- wie methodenbezogenes Wissen" (GDSU
2002, S. 13).
Nachfolgend sollen diese Ausführungen
exemplarisch für die naturwissenschaftliche Perspektive
im Hinblick auf spezifische Bildungspotenziale, Kompetenzen,
Inhalte und methodische Verfahren skizziert werden.
Die naturwissenschaftliche Perspektive
als Beispiel
Sie steht im Spannungsverhältnis
zwischen dem Erleben und Deuten der wahrgenommenen Naturphänomene
durch die Kinder und den inhaltlichen wie methodischen Zugangsweisen
der Naturwissenschaften.
Bildungspotenzial:
"Unsere Umweltwahrnehmung und -interpretation
ist weitgehend durch die Naturwissenschaften und ihre Erkenntnisweise
beeinflusst. Kinder erfahren Natur auf unterschiedliche Weise
und nehmen Naturphänomene wahr. Durch Erschließen
einfacher biologischer, chemischer und physikalischer Zusammenhänge
können Naturphänomene gedeutet und kann Verantwortung
im Umgang mit der Natur angebahnt werden" (GDSU 2002,
S. 15). Das bezieht sich z.B. auf das Verhältnis von
Mensch und Natur, auf elementare Kennzeichen des Lebendigen,
aber auch auf die Untersuchung von Stoffeigenschaften und
Stoffumwandlungen oder die physikalischen Regelhaftigkeiten
verschiedener Naturphänomene auf der Basis naturwissenschaftlicher
Verfahren.
Kompetenzen: Naturphänomene
sachorientiert wahrnehmen, beobachten, beschreiben und benennen
- Naturphänomene auf physikalische, chemische und biologische
Gesetzmäßigkeiten zurückführen und zwischen
Erscheinungen der belebten und unbelebten Natur differenzieren
- Fragehaltungen aufbauen, Probleme erkennen und Problemlösungsverfahren
entwickeln - Regelhaftigkeit der unbelebten Natur als Voraussetzung
für die Existenz der belebten Natur verstehen - Wissen
um die Begrenztheit der Ressourcen und ihrer Regenerationsfähigkeit,
um die Bedeutung der Artenvielfalt und der Notwendigkeit des
Artenschutzes (vgl. GDSU 2002, S. 24 ff.).
Inhalte: Arten- und Formenvielfalt
von Pflanzen und Tieren - der Körper des Menschen, Geschlechtsunterschiede,
Ernährung und Gesundheit, Wachstum und Entwicklung, Schwangerschaft
und Geburt - Sonne, Mond und Sterne - Steine und Mineralien
- Bekleidung, Textilien und Waschen - Eigenschaften von Materialien
- Aggregatzustände - Feuer und Verbrennungsprozesse -
Wettererscheinungen - Licht, Farbe und Schatten - Wind- und
Wasserkraft - Elemente: Wasser, Luft und Boden (s. GDSU 2002,
S. 26/27).
Methodische Verfahren:
Betrachten, Beobachten, Beschreiben, Bestimmen, Sammeln und
Ordnen, Untersuchen und Überprüfen, Messen und Vergleichen,
Pflegen, einfaches Experimentieren, Sachzeichen, Dokumentation
und Auswertung etc. (s. GDSU 2002, S. 26).
Vernetzung: innerhalb
der naturwissenschaftlichen Perspektive durch Integration
physikalischer, chemischer und biologischer Aspekte und zwischen
den verschiedenen Perspektiven durch Betrachtung verschiedener
Phänomenebenen. Geeignete Inhaltsfelder dafür sind
z.B. sind komplexe Umweltphänomene, die Aspekte der unbelebten
und belebten Umwelt integrieren, der direkten Beobachtung
zugänglich sind und in der konkreten Lebenswirklichkeit
der Kinder eine wichtige Rolle spielen wie z.B. Luft, Wasser
und Boden.
Letztendlich geht es aber nicht nur um
die Auswahl geeigneter Inhalte und Verfahren, die Wissen fundieren
und anschlussfähig machen und ihre mehrperspektivische
Vernetzung. Es geht auch um die Frage, in welcher Form Kindern
dieses Wissen nahe gebracht werden kann, um die "Zugänge
zu den Sachen des Sachunterrichts, die eine wirkliche Begegnung
von Kind und Welt, ein Sich-Einlassen und vertieftes Auseinandersetzen
mit den Gegenständen des Unterrichts ermöglichen"
(MICHALIK 2001, S. 15).
Weitere Informationen:
Literatur:
GDSU (2001): Gesellschaft für
Didaktik des Sachunterrichts: Fünf Perspektiven für
den Sachunterricht. Grundschule 4/2001: S. 9-14. |
GDSU (2002): Gesellschaft für
Didaktik des Sachunterrichts e.V. (Hrsg.): Perspektivrahmen
Sachunterricht. GDSU-Info, Heft 21, S. 8-39. |
GDSU (2002a): Gesellschaft für
Didaktik des Sachunterrichts: Perspektivrahmen Sachunterricht.
Klinkhardt; |
MICHALIK, K. (2001): Das Wissen
des Sachunterrichts. Über die Rätselhaftigkeit
von Sachbegegnungen. Grundschule 4/2001, S. 15-17. |
SCHREIER, H. (2001): Die Renaissance
des Sachunterrichts. Grundschule 4/2001, S. 8. |
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