|
Gesine Hellberg-Rode • Stephanie Pröpsting • (12/2002) |
Die Werkstatt „Boden erleben &
begreifen“ bietet eine Auswahl von Unterrichtseinheiten,
die eine Annäherung an das Themenfeld „Boden“
ermöglichen. Die Unterrichtseinheiten konzentrieren sich
auf den reflexiven und kreativen Umgang mit Boden sowie auf
verschiedene Wahrnehmungsebenen des Phänomens „Boden“.
Konstruktivistischen
Lerntheorien zufolge ist der Mensch ein geschlossenes
System, in das nur über seine Sinneskanäle Eindrücke
und Informationen aus der Umwelt gelangen können. „Es
gibt keinen direkten Zugang (…), keine unmittelbare
Erkenntnis, keine Einsicht in die Dinge der Welt, die vom
Einfluss der Sinneskanäle absehen kann.“ (KLEIN/
OETTINGER 2000, S. 11). Jeder Lernende konstruiert seine Welt
und seine Sicht der Dinge individuell, entsprechend wird auch
vermitteltes Wissen nicht „Eins-zu-Eins“ übernommen.
Zur Unterstüzung dieses Konstruktionsprozesses von „Welt“
werden für die Lernenden angemessene Lernumgebungen eingefordert,
die eine affektive Beteiligung der Lernenden als wesentliche
hirnphysiologische Voraussetzung zulassen und mehrdimensionale
Lernverfahren über verschiedene Sinneskanäle und
unterschiedliche Perspektivebenen sowie selbständig-entdeckende
Lernprozesse fördern (vgl. KLEIN/ OETTINGER 2000, S.
36ff).
Auch die von H. KÜKELHAUS entwickelten
Experimentierstationen für das „Erfahrungsfeld
der Sinne“ zum Beispiel sprechen gezielt unsere Sinne
an, fördern deren Wahrnehmungsfähigkeit und Entfaltung.
Dieser Ansatz der Sinnesbildung ist als Reaktion auf die Tendenz
der abnehmenden Zugänge zu Sinneserfahrungen in unserer
durch Industrie, Technik und Kommerz dominierten Gesellschaft
entstanden. Die „Schule der Sinne“ geht durch
eher spielerisch ausgerichtete Erfahrungen, die im Wahrnehmen
der eigenen Sinne, Organe und Vermögen gemacht werden,
einer grundlegenden Frage nach: „Wie lebt das Leben?“
(KÜKELHAUS 1982, S. 11f.; s.a. KÜKELHAUS 1995).
Mit Blick auf die Umweltbildung hat nach KÜKELHAUS eine
zerstörte Sinneswelt eine zerstörte Innenwelt zur
Folge, was wiederum unabwendbar zu einer zerstörten Mitwelt
und Umwelt führt. (KÜKELHAUS 1982 zitiert nach WINKEL
1995, S. 160).
Eine erste, stärker emotional-sinnlich
orientierte Begegnung mit den Naturphänomen, sie sehen
und verstehen zu lernen, steht auch bei den Konzepten zum
Naturerleben (vgl. u.a. CORNELL 1979, 1991; JANSSEN 1988)
im Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit der Welt. Durch
die eigenen Erfahrungen in der unmittelbaren Auseinandersetzung
mit Phänomenen des Lebens werden Zusammenhänge und
Wechselwirkungen in der natürlichen, sozialen und gebauten
Umwelt erkannt und begriffen. Gleichzeitig kann sich eine
von Empathie getragene „Achtung vor der Mitwelt“
(SCHREIER 1992) entwickeln. Insbesondere durch positive Begegnungen
und individuelle Schlüsselerlebnisse kann eine persönliche
Beziehung zur Natur, individuelle Betroffenheit und Verantwortungsbereitschaft
entstehen. Dadurch ergibt sich auch eine Chance, Umwelt selbst
als Mitwelt zu erleben, als Ganzes, zu dem man selbst gehört.
TROMMER (1988) definiert Naturerleben als
„... Anlass originaler Begegnung mit Naturphänomenen
draußen“. Der Schlüssel für den unmittelbaren
Zugang zu den Naturphänomenen ist zunächst ihre
sinnliche Wahrnehmung im Prozess des Naturerlebens. Naturerlebnisspiele,
wie sie z.B. von J.B. CORNELL (u.a. 1979; 1991) entwickelt
wurden, können ein geeignetes Instrument sein, um verschiedene
Wahrnehmungsebenen zu sensibilisieren.
Letztendlich findet eine ertragreiche Allgemein-
und Umweltbildung
im (Sach-) Unterricht ihre Grundvoraussetzung in der Verknüpfung
des sinnlichen Zugangs zu den Naturphänomenen mit der
Vermittlung fachlich fundierten Wissens (WINKEL 1995). WINKEL
spricht in diesem Zusammenhang von einer „zweigleisigen“
Gestaltung des Unterrichts. „Der Begriff zweigleisig
ist dabei als Bild zu verstehen. Auf der einen Schiene werden
die Fachinhalte transportiert, auf der anderen Erfahrungen,
Erlebnisse, Gefühle. Beide Schienen sind durch die Schwellen
verbunden und bilden einen einheitlichen Gleiskörper“
(WINKEL 1985 zitiert nach JANSSEN 1988, S. 4).
|
„Von den Sinnen zum Sinn“
oder „Vom Sinn der Sinne“
(Abb. verändert nach JANSSEN o.J., S. 144) |
Ausgehend von
dem didaktischen Modell „Von den Sinnen zum Sinn“
(s. Abbildung; JANSSEN 1990) das einen Weg aufzeigt, wie Naturerziehung
vom Erleben zum Handeln führen kann, bringt der unmittelbare
Kontakt mit Boden, die selbstbestimmte Beobachtung und Betrachtung
dieses Naturphänomens Neugierde und Wissensdurst mit
sich. Es entwickeln sich eigenständige Fragestellungen,
die auf eigenen sinnlichen Wahrnehmungen aufbauen und deren
Antworten neue Erkenntnisse mit sich bringen. Das individuelle
Erleben sowie Austausch und Erfahrung in der Gruppe erzeugen
Möglichkeiten, das Bewusstsein zu schärfen, neue
Einsichten zu gewinnen und Zusammenhänge wie Probleme
zu verstehen. Diese Erfahrungen sind letztendlich grundlegend
für die Handlungsfähigkeit der Lernenden. (vgl.
JANSSEN o.J.)
Literatur:
CORNELL, J.B. (1979):
Mit Kindern die Natur erleben. Prien: Ahorn-Verlag.
CORNELL, J.B. (1991): Mit Freude die Natur
erleben. Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr.
JANSSEN, W. (1988): Naturerleben. – Unterricht Biologie
12, Heft 137, S. 2-7.
JANSSEN, W. (1990): Naturerleben im Watt. In: Hahne, U. (Hrsg.):
Natur im Watt erleben. Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit
im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Flensburger
regionale Studien Bd.3. Flensburg, S.13-29.
JANSSEN, W. (o.J.):
Wie sehen in Zukunft die Wege zur Naturerziehung aus? In:
G. Hütten - Deutsche Gartenbaugesellschaft 1822 e.V.
(Hrsg.) (o.J.): Wege zur Naturerziehung. Emmerich, S. 135-148.
KLEIN, K./ OETTINGER U (2000): Konstruktivismus.
Die neue Perspektive im (Sach-) Unterricht. Baltmannsweiler:
Schneider Verlag Hohengehren.
KÜKELHAUS, H. (1982): Entfaltung der Sinne. Frankfurt
am Main: Fischer.
KÜKELHAUS, H. (1995): Fassen Fühlen Bilden - 6.
Auflage - Köln: Gaia Verlag.
TROMMER, G (1988): Naturerleben – ein naturwissenschaftlich
unmöglich aber notwendiger Begriff für Umweltbildung.
In: Homfeldt, H.G. (Hrsg.) (1988): Erziehung und Gesundheit.
Weinheim: Deutscher Studienverlag, S. 200-223.
SCHREIER, H. (Hrsg.) (1992): Kinder auf dem Wege zur Achtung
vor der Mitwelt. Heinsberg: Agentur Dieck.
WINKEL, G. (1985): Normenbildung und Phänomene im Rahmen
der Freilandbiologie. In: Hedewig, R./ Knoll, J. (Hrsg.):
Biologieunterricht außerhalb des Schulgeländes.
Köln: Aulis.
WINKEL, G. (1995): Umwelt und
Bildung: Denk- und Praxisanregungen für eine ganzheitliche
Natur- und Umwelterziehung. Seelze: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung.
|