Mit dem Programm zur "Steigerung der
Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts"
(SINUS) reagieren Bund und Länder auf die Ergebnisse
der TIMS-Studie (s. TIMS-Studie)
und aktuelle Erkenntnisse aus der Lern- und Unterrichtsforschung.
Ziel ist es, Lehr- und Lernprozesse im mathematisch-naturwissenschaftlichen
Unterricht zu optimieren und qualitativ zu verbessern (s.
MSWWF 2001, S. 25 ff.; PRENZEL o.J.)
Favorisiert wird hier ein dynamisches Modell
der kontinuierlichen Ergänzung und Erneuerung von Bildung
im Sinne eines lebenslangen Lernens. Danach werden "
im Laufe des Erwachsenenlebens auf der Basis eines soliden
Wissensfundaments kontinuierlich neue Kenntnisse und Fähigkeiten
erworben, die für eine erfolgreiche Anpassung an veränderte
Umstände nötig sind. Vieles, was Schüler als
Erwachsene benötigen werden, können sie nicht schon
jetzt erlernen. Erwerbbar sind allein die Voraussetzungen
zum erfolgreichen Weiterlernen. Diese Voraussetzungen sind
kognitiver und motivationaler Art" (BLK 1997, S.10).
Wesentlich für ein solches Bildungsprogramm
- insbesondere in den Naturwissenschaften - ist eine Konzeption,
die den Erwerb anschlussfähigen Orientierungswissens
erlaubt, "
mit dem Wissen an die Besonderheiten
der jeweiligen Situation angepasst oder für die systematische
Erweiterung des Wissensbestandes genutzt wird". Dabei
muss zwischen der direkten Anwendbarkeit erworbenen Wissens
und seiner Anschlussfähigkeit im Hinblick auf Orientierung,
Anpassung und Weiterlernen differenziert werden. Entsprechend
weit ist der zugrundeliegende Wissensbegriff: "Er schließt
Wissen über Fakten und deren Zusammenhänge, das
Verständnis von Konzepten, Modellen und Theorien sowie
methodologisches Wissen und methodische Kenntnisse ebenso
ein wie das Wissen über das eigene Denken, Handeln und
Lernen" (BLK 1997, S.10).
Eine zeitgemäße Allgemeinbildungskonzeption
muss daher einerseits der Unbestimmtheit zukünftiger
Lebenssituationen und der Anschlussfähigkeit erworbenen
Wissens Rechnung tragen und andererseits eine "Lernen
in sinnstiftenden Kontexten" ermöglichen. Sie bildet
die Basis, "
von der aus sich Zielperspektiven
für die allgemeinbildende Schule und auch den mathematisch-naturwissenschaftlichen
Unterricht konkretisieren lassen" (BLK 1997, S. 11).
Dazu gehören folgendeAnforderungen:
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sichere Beherrschung kultureller
Basiswerkzeuge (z.B. Lesen, Schreiben, mathematische Symbole
und Operationen, fremdsprachliche Kenntnisse) |
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grundlegendes Orientierungswissen
in zentralen Wissensdomänen unserer Kultur |
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Fähigkeiten zur Selbstorganisation
und Selbstregulation des Lernens (metakognitive Kompetenzen
und motivationale Orientierungen) |
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sozialkognitive und soziale
Kompetenzen |
(vgl. BLK 1997, S. 11 ff.).
"Im Rahmen eines modernen Allgemeinbildungskonzeptes,
für das die Unbestimmtheit einer sich beschleunigt entwickelnden
Wissenschaftsgesellschaft richtungsgebend ist, schafft der
Fachunterricht Voraussetzungen für ein erfolgreiches
Weiterlernen sowie für die gesellschaftliche Kommunikation
und Teilhabe" (BLK 1997, S. 44). Darüber hinaus
hat jedes Fach auch den Auftrag, die konkrete Lebenswirklichkeit
der Schüler angemessen zu berücksichtigen. Für
den Bereich naturwissenschaftlich orientierter Allgemeinbildung
bzw. naturwissenschaftlicher Grundbildung in den Fächern
Biologie, Chemie und Physik in der Sekundarstufe, aber auch
im Sachunterricht der Primarstufe, geht es dabei um die Vermittlung
"naturwissenschaftlicher Basiskonzepte zur Interpretation
von Natur, Mensch und einer durch Naturwissenschaften und
Technik gestalteten Welt" (BLK 1997, S. 44) Zur inhaltlichen
Differenzierung dieser Basiskonzepte in den einzelnen Fächern
vgl. BLK (1997, S. 45 ff.).
Relevante Inhalte für grundlegendes
Orientierungswissen in den naturwissenschaftlichen Fächern
und ihre Umsetzung im Unterricht werden national und international,
besonders im angloamerikanischen Raum, aktuell unter der Zielprojektion
"Scientific Literacy" diskutiert. Das Konstrukt
"Scientific Literacy" im Sinne naturwissenschaftlicher
Grundbildung (s. Scientific
Literacy) integriert fachspezifische und fachunabhängige
Kompetenzen, die erforderlich sind, um anschluss- und entwicklungsfähiges
und Wissen innerhalb einer Domäne aufzubauen, das auf
fachspezifischen Basiskonzepten beruht, aber auf konkrete
Lebenssituation anwendbar und auf neue Situationen transferierbar
ist und nicht träge bleibt.
Parallel dazu werden verschiedene (neue)
Prinzipien des Lehrens und Lernens in der Schule eingefordert
(vgl. BLK 1997, S. 16 ff.). Dazu gehören z.B. kumulative
Lernprozesse, in denen Schüler in individuell unterschiedlichen
Konstruktionsprozessen ein vernetztes, in verschiedenen Situationen
erprobtes und flexibel anpassbares Wissen aufbauen sollen.
Dazu gehören aber auch systematisch strukturierte Prozesse
für den Aufbau konzeptuellen Wissens, die einen vertikalen
Transfer innerhalb der jeweiligen Domäne zulassen und
situierte Lernprozesse in konkreten Anwendungsbereichen für
einen lateralen Transfer zwischen den Domänen.
Weitere Informationen:
Literatur
BLK (1997): Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung
(Hrsg.): Gutachten zur Vorbereitung des Programms "Steigerung
der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen
Unterrichts". Materialien zur Bildungsplanung und
Forschungsförderung Heft 60, Bonn. |
MSWWF (1999): Ministerium für
Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des
Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Stärkung des
mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts.
Initiativen und Projekte in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf. |
PRENZEL, M. (o.J.): Die Grundkonzeption
des BLK-Programms "Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen
Unterrichts", s. www.uni-kassel.de/fb19/chemdid/blk/archiv/
prenzel_grundkonzeption.htm (02.08.02). |
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