Regenwürmer sind Zwitter und besitzen sowohl männliche Geschlechtsorgane (Hoden) als auch weibliche (Eierstöcke). In Ausnahmefällen können sie sich selbst befruchten. Normalerweise suchen sie sich aber einen Partner, mit dem sie sich paaren und ihre Samenzellen austauschen.
Eine feste Paarungszeit gibt es bei Regenwürmern nicht. Sie scheinen aber den Frühsommer und Herbst zu bevorzugen, wenn die Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse im Boden günstig sind. Genau nachvollziehen lässt sich das aber nicht, da sich die meisten Arten in der Erde paaren. Nur der Tauwurm (Lumbricus terrestris) paart sich an der Bodenoberfläche.
Dazu kommen die geschlechtsreifen Tauwürmer, die man an dem Gürtel im vorderen Körperdrittel erkennt, meist nach Regenfällen und in der Dämmerung an die Bodenoberfläche. Möglichst ohne ihre Wohnröhren dabei ganz zu verlassen, suchen sie nach einem paarungswilligen Partner. Die Paarung selbst findet meistens erst spät in der Nacht oder gegen Morgen statt und dauert häufig mehrere Stunden, besonders in den Monaten Mai und Juni: „In warmen, nicht zu trockenen Nächten kann man dann in großer Menge kopulierende (= sich paarende) Würmer beobachten“ (FÜLLER 1954, S. 14).
Bei der Paarung legen sich die beiden Partner in entgegen gesetzter Richtung mit den Bauchseiten so aneinander, dass die Samentaschenregion im 9./10. Segment des einen Tieres dem Gürtel des anderen gegenüberliegt (s. Abb.1). Aus den Drüsen der Gürtelzone wird nun ein klebriger Schleim abgesondert, um die beiden Tiere für den Samenaustausch zu verbinden (s. Abb.2). Zusätzlich wird diese enge Verbindung durch die Klammerborsten (s. Borsten) unterstützt.
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Abb. 1: Regenwürmer bei der Paarung
(Foto: Prof. Dr. Nico Michiels, Westfälische Wilhelms-Universität Münster – 2003)
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Bei der Paarung werden zwischen den Partnern nur die Samenzellen ausgetauscht und in den Samentaschen gespeichert. Die eigentliche Befruchtung der Eizellen erfolgt erst später. Die Samenzellen werden von den männlichen Geschlechtsöffnungen (= Porus, s. Geschlechtsorgane) abgegeben, die sich im 15. Segment beidseitig der Bauchzone befinden, und durch zwei parallel verlaufende Samenrinnen nach hinten bis zum Gürtel transportiert. Dort wandern sie in die gegenüberliegenden Samentaschen des Partners. Auf diese Weise tauschen beide Partner ihre Samen aus (s. Abb.3). Nach einigen Stunden trennen sie sich wieder.
Abb.2:Schleimabsonderung bei der Paarung
(Abb. aus FÜLLER 1954, S.15)
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Abb.3:Samenaustausch
(Zeichnung: Karen Kiffe nach MEINHARDT 1986, S. 24)
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Die Befruchtung der eigenen Eizellen mit dem fremden Sperma findet oft erst Tage später statt. Dazu wird – wiederum von den Drüsenzellen der Gürtelzone – ein klebriger Schleimring produziert, der später zu einer pergamentähnlichen Hülle erstarrt. In diese Hülle, die als Kokon bezeichnet wird, scheiden andere Drüsen des Gürtels eine eiweißhaltige Flüssigkeit ab. Aus dieser ringartig um den Körper liegenden Hülle schiebt sich der Wurm nun langsam rückwärts kriechend heraus, so dass der Kokon nach vorne zum Kopfende hin wandert.
Abb. 4: Regenwurmkokon
(Foto: Marius Buning/ Gesine Hellberg-Rode 2/03)
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Sobald der Kokon das 14. Körpersegment passiert, werden aus dem Eileiter-Porus reife Eizellen – meist nur eine – in den Kokon abgegeben. Wenn der Kokon dann die weiter vorne im 9. und 10. Segment liegenden Samentaschen erreicht, wandern die dort gespeicherten Samenzellen des Partners in den Kokon und befruchten die Eizelle. Nachdem der mit Nährflüssigkeit und befruchteter Eizelle gefüllte Kokon das Kopfende passiert hat, ziehen sich die offenen Enden des Kokons zusammen, so dass eine zitronenförmige Eikapsel entsteht (s. Abb.4). Danach werden auf gleiche Weise weitere Kokons produziert (vgl. FÜLLER 1954, S. 14/15; BUCH 1986, S. 16 ff.).
Die Kokons werden in den oberen Bodenzonen abgelegt und zum Teil noch mit einer Schutzhülle aus Regenwurmkot versehen. Größe, Form und Farbe der Kokons sind bei den verschiedenen Regenwurmarten unterschiedlich ausgeprägt. So variiert die Farbe zwischen Gelb- und Brauntönen (s. MEINHARDT 1986, S. 44 ff.). Im Laufe der Entwicklung werden die aber Kokons transparenter, so dass man die sich entwickelnden Tiere sehen kann. Die Länge der Kokons beträgt je nach Art etwa 2-7 mm (s. Abb.4). Beim Tauwurm (Lumbricus terrestris) ist der Kokon circa 6 mm lang und 4 mm dick, bei dem deutlich kleineren Mistwurm (Eisenia foetida) nur halb so groß.
Abb. 4: Kokonformen
(Abbildung aus: BUCH 1986, S.17)
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Auch die Zahl der abgelegten Kokons ist bei den einzelnen Regenwurmarten zum Teil sehr unterschiedlich. So paart sich der Tauwurm meist nur einmal im Jahr und produziert dabei 5-10 Kokons mit jeweils einem Ei. Der Mistwurm dagegen paart sich viel häufiger und legt dabei wesentlich mehr Kokons ab, in denen sich jeweils aus bis zu 11 Eiern Larven entwickeln können. Insgesamt kann ein Mistwurm über 300 Nachkommen pro Jahr erzeugen (vgl. DUNGER 1964, S. 72/73; MEINHARDT 1986, S. 44 ff.).
Abhängig von der jeweiligen Art und den Umgebungsbedingungen dauert es unterschiedlich lange bis der fertig entwickelte Jungwurm aus dem Kokon schlüpft. Diese Brutzeit dauert beim Mistwurm bei einer Temperatur von 25°C etwa 16 Tage, beim Tauwurm dagegen bei einer durchschnittlichen Bodentemperatur von 12°C etwa 90 Tage (s. GRAFF 1983, S. 28). Die jungen, frisch geschlüpften Regenwürmer unterscheiden sich von den erwachsenen und geschlechtsreifen Tieren durch eine wesentlich geringere Größe, nur sehr schwache Pigmentierung und den noch nicht entwickelten Geschlechtsapparat. Erst nach 1-2 Jahren wird der Jungwurm geschlechtsreif. Dann entwickelt sich die Gürtelzone zur Fortpflanzung (s. FÜLLER 1954, S. 20).
Weitere Informationen:
Literatur
BUCH, W. (1986): Der Regenwurm im Garten. Stuttgart: Ulmer.
DUNGER, W. (1964): Tiere im Boden. Wittenberg: Ziemsen.
FÜLLER, H. (1954): Die Regenwürmer. Die Neue Brehm-Bücherei, Heft 140 (Nachdruck). Wittenberg: A. Ziemsen Verlag.
GRAFF, O. (1983): Unsere Regenwürmer: Lexikon für Freunde der Bodenbiologie. Hannover: Schaper.
MEINHARDT, U. (1986): Alles über Regenwürmer. Stuttgart: Franckh.
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